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Siehe, ich stehe vor der Tür

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 22.11.2000
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Buß- und Bettag
Textstelle : Offenbarung 3,14-22
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Wochenspruch:
 

Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben. (Spr. 14,34)
 

Psalm: 51,3-14 (EG 727)
 

Lesungen
 

Altes Testament:
 

Jesaja 1,10-17
 

Epistel:
 

Römer 2,1-11
 

Evangelium:
 

Lukas 13, (1-5) 6-9
 

Liedvorschläge
 

Eingangslied:
 

EG 390
 

Erneure mich, o ewigs Licht
 

Wochenlied:
 

EG 144
 

oder EG 146
 

Aus tiefer Not lasst uns zu Gott
 

Nimm von uns, Herr, du treuer Gott
 

Predigtlied:
 

EG 404,1-3+8
 

Herr Jesu, Gnadensonne
 

Schlusslied:
 

EG 289,4+5
 

Nun lob, mein Seel, den Herren
 

14 Dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes: 15 Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! 16 Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. 17 Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts! und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß. 18 Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest. 19 Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße! 20 Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir. 21 Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron. 22 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!
 

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,
 

Der erhöhte Christus sagt: “Siehe, ich stehe vor der Tür.” Das ist das Leitwort für unseren Gottesdienst. Es ist ein Wort, das allen Kirchen und genauso allen Christen gilt. Es gilt denen, die in ihrer Kirche ganz Zuhause sind, und es gilt denen, die sich manchmal in ihrer Kirche ein wenig heimatlos vorkommen. Es gilt denen, die sich nach der Einheit der Christen und Kirchen sehnen. Es gilt allen, die es in ihrem eigenen Leben erfahren, wie schmerzhaft der Riss zwischen den Konfessionen bis in das eigene Miteinander von Eheleuten, Kindern, Freunden hineinwirkt.
 

Uns allen sagt Jesus Christus: Ihr seid es mir wert, dass ich zu euch komme. Ihr seid es mir wert, dass ich an euch leide. Ihr seid es mir wert, dass ich um euch ringe. Ihr seid es mir wert, dass ich bitte um offene Türen eures Herzens und eures Lebens.
 

Christus lässt keinen von uns links oder rechts liegen, so wie wir es allzu oft mit Menschen tun. Christus erklärt keinen zum hoffnungslosen Fall, ob es nun der einzelne Christ oder eine ganze Kirche ist.
 

Es ist die suchende Liebe, die ihn so reden lässt. Es ist die suchende Liebe, die ihn anklopfen lässt - an unseren Kirchentüren und an unseren Herzenstüren. Es ist die suchende Liebe, die ihn treibt, die ihn nicht schweigen lässt, die ihn zum Bittsteller macht - auch an diesem Tag, auch bei uns. Darin vor allem anderen sind wir eins - dass er uns sucht in seiner Liebe.
 

Es ist eine Liebe, die uns Kritik nicht verschweigt.
 

Das kennen wir: Kritiklose Liebe, die keine Fehler sehen will, die keine Schwäche sehen will, die sich das Wort der Kritik nicht leisten kann, weil sie der Liebe nicht traut.
 

Auch das kennen wir: lieblose Kritik, die nur die Fehler sieht, die nichts gelten lassen will von Mühe und Einsatz, die nur bloßstellen will und letztlich wohl vernichten. In mancher Kritik an der Kirche, die heute “in” ist in den Zirkeln der Talk-Shows meldet sich dieser Geist aus sicherem Abstand und selbstgefälligem Überlegenheitsgefühl zu Wort.
 

Jesus traut seiner Liebe zur Gemeinde zu, dass sie auch die Kritik tragen kann. Seine Kritik ist aus der Liebe geboren und hat in der Liebe ihr Maß.
 

“Ich weiß deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist.” Wohltemperierte Christen hat dieses Wort vor Augen, angepasst, unauffällig geworden, vor allem besorgt, was extrem klingen könnte oder als gar zu entschieden gelten könnte. Es ist die gefällige Offenheit, die sich der eigenen Position entkleidet, die sich stromlinienförmig der Gesellschaft angeglichen hat. Nicht Fisch noch Fleisch - irgendetwas Undefinierbares, Ungenießbares, wie wir es ja manchmal selbst sagen.
 

Ein erschreckendes Wort: “Kirche zum Ausspeien!” Wie das laue Wasser den Brechreiz auslöst, so ist lau gewordene Kirche. Wenn wir nichts mehr sind als die religiöse Spielart der Gesellschaft, dann drohen wir, zum Brechmittel zu werden. Wenn es unter uns in den Kirchen nicht mehr anders zugeht als überall, nur dass wir unseren Umgang noch mit Bibelworten und religiösen Museumsbeständen garnieren, dann sind wir auf dem Weg, “Kirche zum Ausspeien” zu werden.
 

Es ist eine Liebe, die uns Enttäuschungen zumutet!
 

“Du sprichst: Ich bin reich und gar satt und bedarf nichts! und weißt nicht, dass du bist elend und jämmerlich, arm, blind und bloß.”
 

Seltsam, bei anderen sehen wir es immer ganz genau, wie komisch es wirkt, wenn jemand sich über seine wahre Situation hinwegtäuscht. Der Politiker, der davon redet, dass alles doch im Lot und unter Kontrolle sei - er macht uns Kopfschütteln. Die Schülerin, die in ihrem Verhalten keine Fehler entdecken kann und alles nur ihren Lehrern anlastet - sie macht uns unruhig. Der Wissenschaftler, der uns von der Harmlosigkeit seiner Experimente und seiner Technik überzeugen will und nicht wahrhaben will, dass die Risiken nicht kalkulierbar und begrenzbar sind - er macht uns wütend.
 

Aber wir leisten es uns in Kirche und Gemeinde, so zu tun, als sei alles in Ordnung. Wir haben ein paar finanzielle Turbulenzen in der Kirche - aber das kriegen wir mit Sparmaßnahmen in den Griff. Wir reden immer noch von Volkskirche und dabei ist das Volk längst ausgewandert. Wir beschwören immer noch die gesellschaftliche Relevanz der Kirche - und in Wahrheit hört keiner mehr auf die inflationären Kirchen- und Hirtenworte mit ihrem ebenso vorbildlichen wie langweiligen “sowohl - als auch”.
 

Was geschieht denn, wenn wir uns eingestehen: Die Leute sind uns weggelaufen. Die Menschen hören uns nicht mehr zu. Wir haben uns etwas vorgemacht über unseren Einfluss in der Gesellschaft. Wir haben uns etwas vorgemacht über unsere Kraft, in unserem Umfeld wirklich Wendungen zum Guten herbeizuführen. Wir haben uns etwas vorgemacht über unsere spirituelle Stärke. Wir müssen es uns eingestehen als Gemeinde und als Kirche: Du bist arm. Du bist schwach. Du bist elend.
 

Dies Eingestehen bringt Ent-Täuschung mit sich und ist doch zugleich ein Schritt in die Wahrheit. Ent-Täuschung heißt ja nichts anderes, als dass ich aus einer Täuschung herausfinde und zur Wahrheit gelange.
 

Nach dem Evangelium ist solche Enttäuschung ein hoffnungsvolles Geschehen: Jesus ist ja doch gekommen, um sich zu den Armen, Schwachen und Elenden zu stellen. Erst wenn wir wahrhaftig eingestehen, wie es um uns steht, werden wir uns auch ausstrecken nach seiner Gegenwart, nach seiner Kraft und seiner Hilfe.
 

Es ist eine Liebe, die uns neue Schritte zutraut:
 

“Ich rate dir, dass du Gold bei mir kaufst, dass du reich werdest, und weiße Kleider, dass du dich antust und nicht offenbar werde die Schande deiner Blöße, und Augensalbe, deine Augen zu salben, dass du sehen mögest.”
 

Wahrheit, die keine neuen Wege aufzeigt, ist unbarmherzig. Wahrheit, die kein Zutrauen zeigt, macht nur fertig. Jesus ruft die Gemeinde in seine Wahrheit, damit sie neu aufbrechen kann.
 

Seine Wahrheit - das ist die Liebe zu Gott und den Menschen. Seine Wahrheit - das ist das Erbarmen über alle Schuld. Seine Wahrheit - das ist das Leben mitten in allem Tod. Seine Wahrheit - das ist das Kreuz und die Auferstehung - die Hingabe Gottes für seine geliebte Welt und für jeden einzelnen. Seine Wahrheit - das ist Er selbst in seiner Liebe.
 

In ihm gewinnen wir, was beständiger ist als Gold, was uns in unserer Blöße ein neues Kleid schenkt und was uns die Welt mit neuen Augen sehen lässt. Und er traut es uns zu, dass wir ganz neu mit ihm Schritte durchs Leben gehen.
 

Es ist eine Liebe, die sich uns schenkt.
 

“Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand meine Stimme hören wird und auftun, zu dem werde ich eingehen und das Mahl mit ihm halten und er mit mir.”
 

In letzter Tiefe heißt die Antwort Jesu auf die Not der Welt: Ich schenke mich euch. In letzter Tiefe heißt die Antwort auf die Not der Kirchen: Ich schenke mich euch. In letzter Tiefe heißt die Antwort auf die Zerrissenheit der Christenheit: Ich schenke mich euch.
 

Das ist es, was der auferstandene und erhöhte Christus von uns will: Er will, dass wir uns seine Gegenwart gefallen lassen. Er will, dass wir uns seine Nähe gefallen lassen. Er will, dass wir uns seine Liebe gefallen lassen. Er will, dass wir uns sein Leben gefallen lassen.
 

Jesus sucht nicht irgendwelche Programme zur Rettung der Welt bei uns durchzusetzen. Er will uns nicht irgendwelche Lebensprinzipien beibringen. Er will uns nicht zu irgendwelchen Lehrsätzen bringen.
 

Jesus will sich uns schenken und unsere Gegenwart durchtränken mit seinem Geist und unser Leben durchdringen mit seiner Güte und uns durchbringen in seiner Treue. Davon erwartet und erhofft er sich erneuerte Menschen und erneuerte Kirchen - die sich gefallen lassen, was ihm gefällt. Darin werden wir, arm, schwach und elend und doch geliebt über alle Maßen, zu lebendigen Zeichen seiner Gegenwart.
 

So will uns dieses Wort hinführen zu einer Glaubenshaltung, in der wir reifen und leben können. Sie besteht darin, dass wir uns Christus entgegenstrecken, so wie es der große Mystiker Teersteegen gedichtet hat:
 

Du durchdringest alles,
 

lass dein schönstes Lichte,
 

Herr, berühren, mein Gesichte.
 

Wie die zarten Blumen
 

willig sich entfalten
 

und der Sonne stille halten
 

lass mich so still und froh
 

deine Strahlen fassen
 

und dich wirken lassen.
 

Amen.
 

Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg


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