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So nimm denn meine Hände von Albrecht Burkholz

von Elke Burkholz (Messel)

Predigtdatum : 22.11.2009
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Totensonntag
Textstelle : Johannes 5,24-29
ggf. Homepage, auf der die Predigt verzeichnet ist : http://kirchemessel.de
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Albrecht Burkholz, Messel
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Totensonntagsgemeinde,
heute erinnern wir uns an die Menschen, die von uns gegangen sind. Im Anschluss werde ich die Namen der Verstorbenen des vergangenen Kirchenjahres verlesen und wir zünden für jeden eine Kerze auf dem Altar an. Heute ist ein Tag der Besinnung. Wir wollen unseren Verstorbenen ein Andenken bewahren.
Wir müssen unseren Weg weitergehen. Das, was war, ist vergangen. Die Erinnerung prägt uns. Aber wir müssen uns auf das Leben ohne unsere Verstorbenen einstellen und das Beste daraus machen.
Dazu möge uns dieser Gottesdienst helfen.
Es gibt ein Lied, das hören wir oft auf dem Friedhof und es ist aus Anlass eines Todes gedichtet worden. Julie Hausmann, eine Musiklehrerin aus Riga, hat es 1862 gedichtet.
Wir singen die erste Strophe 376,1
Jemand nimmt mich an die Hand. Jemand, der den Weg kennt. Der für mich sorgt. Der da ist, wenn ich es gerade besonders brauche.
Ich fühle mich allein gelassen, weil ein geliebter Mensch von mir gegangen ist. Ich muss mich neu sortieren. Ich muss meinen Alltag neu gestalten. Ich fühle mich orientierungslos.
Es ist gut, dass ich dabei gesehen und bewahrt werde. Es ist gut, dass ich mich einem freundlichen Gott anvertrauen darf.
Dieser Gott nimmt mich an meiner Hand und begleitet mich. So finde ich meinen Weg. So finde ich den Weg, der jetzt für mich dran ist. Auf diesem Weg kann ich schimpfen und zornig sein. Gott an meiner Hand hält es sogar aus, wenn ich auf ihn zornig bin.
Gott führt mich an meiner Hand, jetzt in der Trauer und bis an mein selig Ende. Ja, sogar darüber hinaus. Er führt mich an meiner Hand ewiglich.
Gott, von dem wir kommen. Gott, zu dem wir gehen. Ursprung und Ziel. Ewiger Gott. Was ich in meiner Vergänglichkeit bin, wird einmal bei Gott sein, in der Ewigkeit. Der Mensch, der von mir gegangen ist, ist auch bei Gott. Im ewigen Gott bleiben wir verbunden, Sterbende und Lebende.
Deshalb bin ich nicht allein. Auch wenn ich abends alleine in der Wohnung sitze und den Menschen so vermisse, der ein Teil meines Lebens war. Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt. Wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit.
Es gibt ein Nichtalleinsein, ein Gehaltensein, das geht tiefer noch als die Trauer. Wenn Gott tief in meiner Seele ist, ein Begleiter all meiner Schritte – dann bin ich nie ganz im Stich gelassen. Nie ganz allein gelassen.
Wir singen Strophe 2
Ich bin schwach, aber du, Gott, bist stark. In bin eingehüllt und geborgen. Ein großes Erbarmen umgibt mich, wie ein Schutzmantel, wie ein Schutzschirm, wie ein wärmendes Zuhause. Da ist eine große Geborgenheit, obwohl mein Herz schwach ist und voll Schmerz.
Ich kann mich fühlen wie ein kleines Kind, das abends im Wohnzimmer zu Füßen seiner Eltern sitzt. Ich kann die Augen schließen und mich geborgen fühlen, während die Stimmen meiner Eltern mich spüren lassen: Ich bin zuhause. Ich bin beschützt. Ich bin geliebt. Ich werde gesehen und bewahrt.
Ich kann nicht die ganze Zeit so unerwachsen, unselbständig und klein sein. Ich muss ja nun ganz viel selbst machen, was vorher sich auf mehr Schultern verteilt hat. Ich muss nun einen neuen Lebensrhythmus finden und meinen Alltag neu gestalten.
Aber die Trauer besteht gerade darin, dass ich zwischen drin so geborgen sein darf wie ein Kind. Dass ich nicht immer stark sein kann und nicht immer stark sein muss. Dass ich mich zwischendurch hilflos und ängstlich und überfordert fühlen darf. Da ist einer, der mich hört, der mich tröstet, der mich stärkt. Da ist einer, der ist stark genug, so dass ich bei ihm schwach sein darf.
Wir singen die dritte Strophe.
Manchmal ist Gott ganz fern. Ich fühle nichts von seiner freundlichen und helfenden Nähe.
Das ist nicht leicht auszuhalten. Schließlich nehme ich doch Gott in meinem tiefsten Inneren wahr. Ich brauche Glaube, Liebe und Hoffnung. Und ich brauche die Fülle Gottes, damit ich mich nicht so leer fühle.
Und wenn da schon ein geliebter Mensch fehlt und ich mich sowieso schon so angegriffen und allein gelassen fühle – wenn dann auch noch Gott nicht da ist, das geht über meine Kräfte.

Wir wissen nicht, was in solchen Situationen hilft. Es gibt unterschiedliche Erfahrungen, wann und wie man da raus kommt. Aber letztendlich hilft es nichts: es muss einfach ausgehalten werden.
Unser Lied sagt: gut, ich mag nichts fühlen von deiner Nähe. Du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht. Ich glaube das einfach. Ich sage es mir immer wieder, z.B. indem ich dieses Lied singe oder bete oder meditiere. Und irgendwann ist die Nacht zu Ende. Irgendwann beginnt der neue Tag. Irgendwann kann ich die Nähe Gottes wieder fühlen und merke dann: ja, sie war da, auch als ich sie nicht fühlen konnte.
Und dann nimmt das Lied den Anfang wieder auf. Ich will mich von dir, Gott, an der Hand nehmen lassen. Ich will mich von dir führen lassen. Führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich.
Heute am Totensonntag denken wir auch daran, dass wir selbst sterblich sind. Wir machen uns Sorgen, wie das bei uns werden wird. Wir haben Angst, wie das sein wird.
Wir bitten mit diesem Lied um ein selig Ende. Wir nehmen alles aus Gottes Hand, auch das Schwere. Jedenfalls versuchen wir es. Und was wir nicht schaffen, ist nicht schlimm. Denn wir sind Kinder Gottes und da ist ein großer und starker Freund, der da ist, auch wenn wir ihn nicht fühlen. Er hüllt uns in sein Erbarmen, sodass wir uns ganz geborgen fühlen. Wir dürfen uns wie kleine Kinder sicher und beschützt fühlen zu seinen Füßen.
In normalen Alltag sind wir erwachsen. Selbst verantwortlich. Erfahren und stark genug. Aber manchmal, v.a. abends, in den Nächten, jetzt in der dunklen Jahreszeit, brauchen wir sozusagen extra Kuscheleinheiten. Und das gilt auch für unsere Gottesbeziehung.
So ein Totensonntag ist nicht nur eine ernste und traurige Sache. So ein Totensonntag ist gerade darum die Chance, in meiner Beziehung zu Gott ein neues kindliches Vertrauen zu fassen. All das, was mehr ist, als ich in meiner erwachsenen Verantwortung allein tragen kann – der Trauer und die Frage meiner eigenen Sterblichkeit – all das kann ich heute an den Gott abgeben, der von Ewigkeit zu Ewigkeit ist. Der mich in meiner Sterblichkeit und meinem Schmerz und meiner Schwäche umfängt und geborgen hält. Der mich sieht und bewahrt. Ich kann mich vertrauensvoll meine Hand in die Hand dieses großen und starken Freundes legen. Und einfach mitgehen. Vertrauen. Mich trösten lassen. Auch die Zukunft dem überlassen, der Anfang und Ende ist. Möge ein solch kindliches Vertrauen in uns da sein, wenn es nötig ist. Und wenn unser Vertrauen nicht da ist, wenn ich gar nichts fühle – er führt mich auch durch die Nacht.
Und der Friede Gottes…