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Taufe Jesu

von Angela Rinn (55124 Mainz)

Predigtdatum : 12.01.2003
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Sonntag nach Epiphanias
Textstelle : Matthäus 3,13-17
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Wochenspruch:

Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. (Römer 8,14)

Psalm: 89 in Auswahl

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 42,1-4 (5-9)
Epistel:
Römer 12,1-3 (4-8)
Evangelium:
Matthäus 3,13-17

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 6
Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude
Wochenlied:
EG 68
oder EG 441
O lieber Herre Jesu Christ
Du höchstes Licht, du ewiger Schein
Predigtlied:
EG 15
Tröstet, tröstet, spricht der Herr
Schlusslied:
EG 66,7
Jesus ist kommen, die Quelle

13 Jesus kam aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. 14 Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir?
15 Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt geschehen! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er's geschehen. 16 Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah aden Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. 17 Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

Liebe Gemeinde,
es gibt Aufgaben, die überfordern uns. Die ragen wie Berge vor uns auf. Wie soll ich das schaffen? Solche Berge haben oft eine lähmende Tendenz. Wir starren sie an wie das sprichwörtliche Kaninchen die Schlange und kommen nicht von der Stelle. Examenskandidaten wissen ein Lied davon zu singen, aber auch eine Wohnung, die dringend renoviert werden muss oder ein überfälliger Frühjahrsputz können eine solche Ausstrahlung haben: Wo anfangen mit der Arbeit? Manche Menschen verkriechen sich dann ins Bett, machen im wörtlichen wie im übertragenen Sinne die Augen zu und hoffen, dass am nächsten Morgen alles anders aussieht. Leider ist auch am nächsten Tag der Prüfungsstoff noch genauso ausführlich wie am Tag zuvor, die Wohnung bietet immer noch einen erbarmungswürdigen Anblick, und die Arbeit hat sich durch kein Heinzelmännchen vermindert. Es gibt Aufgaben, die überfordern uns!
Manche Menschen haben die bewundernswerte Kraft, sich dann beharrlich an die Arbeit zu machen. Sie kauen Aufgabe für Aufgabe durch, lassen sich durch die Menge der Arbeit nicht irritieren und fangen erst einmal in einem Zimmer an zu putzen. Aber andere bleiben gelähmt, und wenn zu der Belastung noch ein klein wenig hinzukommt, werden sie gänzlich bewegungsunfähig.
Sich überlastet fühlen ist menschlich. Im Grunde hat jeder Mensch seinen wunden Punkt, die Schwachstelle, an der er sich leicht überfordert fühlt. Alles andere bekommt man wunderbar hin, aber das... und gerade das wird hinausgeschoben, so lange, bis es einfach nicht mehr anders geht und der Mensch sich der Aufgabe stellen muss.
Manchmal findet sich dieser wunde Punkt gerade an der Stelle, an der man eigentlich besonders stark ist. Mag sein, dass einem dann der eigene Perfektionismus im Weg steht. Gerade weil ich es so gut kann, will ich es nicht nur gut, sondern perfekt erledigen. Weil ich es so gut kann, weiß ich auch, was ich nicht kann und sehe eher meine Fehler als meine Stärken. So dass ich von den Fehlern, auch denen, von denen ich vermute, dass sie kommen könnten, behindert werde, meine Fähigkeiten auszuleben.
Besonders fatal ist, wenn eine ganze Ausbildung auf einen Punkt zuläuft, an dem sich ein Mensch bewähren soll. In Frankreich gibt es die Eliteuniversität Ecole Normale Superieure, kurz ENS. Wer die Aufnahme in diese Schule schafft, der hat auch die Aufnahme in die französische Gesellschaft geschafft, eine hohe Position ist ihm gewiss. Jeder Bewerber bereitet sich monatelang auf die Prüfung, den concours vor, der den Eintritt ermöglicht. Alle Bewerber absolvieren Probeprüfungen, deren Ergebnisse jedoch nicht ausschlaggebend sind. Entscheidend ist allein die Prüfung selbst. Und wer hier versagt, dem nutzen auch seine allerbesten Vorergebnisse nichts. Es gibt Menschen, die mit hervorragenden Kenntnissen und besten Probeprüfungen diesem entscheidenden Tag nicht standgehalten haben. Und alle Mühe war vergebens.
Jede Olympiade und jede Weltmeisterschaft sieht das Scheitern von Menschen, die sich Jahre auf den entscheidenden Augenblick vorbereitet haben. Und dann spielen nach dem Signalschuss die Nerven nicht mit, dann versagt die Technik. Und es spielt keine Rolle, wie ihr Trainingsergebnis aussah. Am Ende zählt, wer auf dem Treppchen ganz oben steht.
Johannes war sein Leben lang auf diesen Tag vorbereitet worden, an dem Jesus zu ihm kommen sollte. Im Grunde hatte es schon vor seinem ersten Atemzug begonnen, bereits die aufregenden Umstände seiner Geburt waren Hinweise auf seine prominente Aufgabe: Er sollte Jesus taufen. Sein ganzes Leben war Hinweis auf den Christus, er hatte sich und seinen Leib gestählt und abgehärtet. Er lebte in der Wüste, ernährte sich von Heuschrecken und wildem Honig. Er machte es sich und anderen nicht leicht, mutig wies er auf Missstände hin, war Stachel im Fleisch der Mächtigen. Ein strenger Mensch, streng mit sich und anderen. Es sollte ihn schließlich seinen Kopf kosten. Und alles nicht deshalb, um sich selbst in den Himmel zu heben, nicht um auf seine Person hinzuweisen, sondern im Dienst einer größeren Aufgabe. Johannes sollte auf Christus hinweisen. Und er sollte ihn taufen.
Ob er dies wie einen Berg erlebt hat, der vor ihm aufragte? Ob es ihm schier unmöglich schien, diesen Berg zu überqueren, trotz allerbester Vorbereitung? Ob es selbst diesen harten Mann dazu drängte, manchmal einfach die Augen zu schließen vor seiner doch übermenschlichen Aufgabe? Wollte er sich manchmal sein härenes Gewand über den Kopf ziehen, noch länger in der Wüste bleiben, nur um sich nicht diesem Berg zu stellen?
Eines Tages war es so weit.
Es gibt Aufgaben, die überfordern uns. Doch die Aufgaben, die uns unbedingt angehen, die kommen zu uns, wenn wir vor ihnen davonlaufen wollen. So dass wir uns ihnen stellen müssen - ob es uns nun passt oder nicht. So dass der Berg zum Prophet kommt, wenn der sich nicht auf den Weg macht.
Eines Tages war er da. Stand in der Schar derjenigen, die sich von Johannes taufen lassen wollten. Und als er ihn sah, wusste Johannes, dass er dieser Aufgabe niemals gerecht werden würde. Dass keine Ausbildung, kein Training, ja dass jede mentale oder körperliche Vorbereitung nicht hinreichen konnte, um dies zu leisten: Ihn zu taufen.
Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir?
Es gibt Aufgaben, die überfordern uns. Manche scheinen uns nur zu überfordern. Diese Aufgabe musste überfordern. Und es sollte doch geschehen. Es gibt nämlich Aufgaben, die müssen uns überfordern und es gelingt nur, weil uns ein anderer ermächtigt. Wir können es nicht aus eigener Kraft, aber ein anderer sagt: Tu es. So soll es sein.
Weil Johannes dieser Aufgabe nie gewachsen wäre, passt Gott sich an. Er erniedrigt sich, reiht sich ein in die Schar derer, die sich taufen lassen wollen. Wartet, kommt an die Reihe. Will keine Ausnahme, will sich klein machen, bedürftig, so wie seine Menschengeschwister. So soll es sein. Denn so gebührt es uns, sagt Jesus. Diese Erniedrigung für seine Menschen, das ist Gottes Vorstellung von Gerechtigkeit. Gott wartet nicht, bis wir gerecht werden, er macht uns gerecht. Gott wartet nicht, bis wir die Aufgaben erfüllen können, er erfüllt sie für uns. Da ließ er’s geschehen, heißt es sehr tiefsinnig im Matthäusevangelium. Passiv. Er ließ es geschehen, ließ es zu, dass seine Hände Jesus taufen. Stellt diesem geheimnisvollen Geschehen nichts in den Weg. Weder seine eigenen Vorstellungen, noch seine Befürchtungen, auch nicht seine Angst.
Womöglich diente seine ganze lebenslange Vorbereitung dazu, dass er im entscheidenden Moment passiv sein konnte, es hinnehmen konnte, es geschehen ließ. Und Jesus taufte.
Dies war wichtig, unabdingbar, weil Gott seine Menschen verwickeln will in seine Heilsgeschichte. Weil er sein Reich nicht unabhängig von uns Menschen gestalten will, sondern uns beteiligt - manchmal anders, als wir es uns vorstellen. Manchmal besteht unsere Beteiligung darin, stillzuhalten. Und manchmal muss man sich ein ganzes Leben darauf vorbereiten, den Moment zu erspüren, in dem man stillhalten muss. Oder durchhalten muss. Oder aber auch etwas tun muss.
Johannes lässt es geschehen. Erst dann öffnet sich der Himmel und Jesus wird vom göttlichen Geist erfüllt. Erst dann. Gott macht sich klein, und er macht sich abhängig von menschlichen Ordnungen.
Es gibt Aufgaben, die überfordern uns. Wenn wir das ganze Leben als Aufgabe begreifen, dann ist auch das Leben eine Aufgabe, die uns allein überlastet. Jedenfalls über die Maßen beansprucht, wenn wir es sinnvoll leben wollen. So wie wir sind: begabt mit unseren Stärken, belastet mit unseren Schwächen, verwirrt in der Geschichte unseres Lebens, verknüpft mit unserer Vergangenheit - wie können wir da sinnvolles Leben gestalten?
Es gibt Aufgaben, die überfordern uns. Mag sein, dass uns im Laufe des Lebens deutlich wird, dass sie keine Aufgaben für uns sind, sondern für andere Menschen. Wir müssen nicht alles auf unsere Schultern laden. Womöglich warten ganz andere Aufgaben auf uns. Und wenn uns die vor Augen erscheinen - vielleicht groß wie ein Berg - dann ist es noch eine zweite Frage, was ansteht: einen Tunnel zu graben oder eine Gipfelwanderung. Oder eine Wartezeit am Fuße des Berges einzurichten, bis die rechte Zeit gekommen ist. Wer läuft schon im Winter barfuß über die Alpen.
Neben uns hat sich einer gesellt, der sich aus freiem Entschluss uns gleichgestellt hat. Genauso bedürftig wie wir, genauso abhängig, angewiesen auf andere Menschen. Er ist mit uns vor jeder Aufgabe. Und er begleitet uns mit seinem Heiligen Geist - sowohl wenn wir Erfolg haben als auch, wenn wir scheitern, ein Scheitern, das vielleicht erst der Weg zum Eigentlichen ist. Mit ihm an der Seite ist kein Berg, auch kein Lebensberg mehr eine Aufgabe, die alleine bewältigt werden muss. Mit ihm an der Seite ist keine Lebensaufgabe mehr eine sinnentleerte Schinderei. Mit ihm an der Seite öffnet sich auch für uns der Himmel. Gottes lieber Sohn ist bei uns, und wir sind seine Geschwister. Wie er getauft, wie er beschenkt mit dem Heiligen Geist. So dass jeder Weg, jede Aufgabe, jedes Leben sein Ziel bei ihm findet. Zu seinem Wohlgefallen. Amen.

Verfasserin: Pfrn. Dr. Angela Rinn-Maurer, Eleonorenstr. 31, 55124 Mainz

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