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Umkehr

von Karsten Müller (Halle /Saale)

Predigtdatum : 20.11.2013
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Buß- und Bettag
Textstelle : Lukas 13,22-27.(28-30)
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Wochenspruch:
Gerechtigkeit erhöht ein Volk; aber die Sünde ist der Leute Verderben. Sprüche 14, 34
Psalm: Psalm 51, 3 - 14

Lesungen
Altes Testament: Lukas 13, (1 - 5).6 - 9
Epistel: Römer 2, 1 - 11
Evangelium: Matthäus 18, 21 - 35

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 347 Ach bleib mit deiner Gnade
Wochenlied: EG 144 oder EG 146 Aus tiefer Not lasst uns zu Gott Nimm von uns, Herr, du treuer Gott
Predigtlied: EG 428 Komm in unsre stolze Welt
Schlusslied: EG 170 Komm, Herr, segne uns

Kurze Hinführung:
Jesus befindet sich mit seinen Jüngern auf dem Weg nach Jerusalem. Eine Frage aus der Menge steht wie zufällig im Raum: „Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden?“

Jesus antwortet nur indirekt auf die Frage. In seiner Antwort komponiert Lukas Jesusworte, die im Matthäusevangelium an anderen Stellen und damit in anderen Zusammenhängen stehen. So findet sich der Schlussvers unseres Abschnittes bei Matthäus am Ende des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg (Mt. 20, 1 - 16) Dort und auch hier erweist sich der Vers als Ausdruck der Güte des Herrn, der in der Mitte unseres Abschnittes als der strenge Richter auftritt, der harte Urteile spricht.

Die hier vorgelegte Predigt nimmt diese Härte in den Blick. Allerdings ist zu fragen, ob die Frage, die am Weg gestellt wird, die richtige Frage ist. Bei der Frage nach der Seligkeit und der indirekten Antwort Jesu bleibt die Predigt nicht stehen.

Aus dem im Text Gesagten kann die Angst resultieren (und resultierte bei Generationen auch nach Luther), im Leben das Heil zu verfehlen, weil man nicht angemessen gehandelt hat. Auf Grund der Tatsache, dass sich Gottes Gnade nicht durch Tat herbeizwingen lässt, wir der Annahme Raum gegeben, dass Gott gnädig ist und diese Zuwendung die Voraussetzung für unser leben und verantwortliches Handeln darstellt.

Liebe Gemeinde,
„Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden?“ Diese Frage hallt aus dem Text nach. Die Frage, die in uns gleich danach auf-steigt, ist; Bin ich unter den Seligen?

Die Frage wird am Rand gestellt, nebenbei auf dem Weg. Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Dieser Weg ist kein Spaziergang und auch keine Pilgerreise. Jesus ist auf dem Weg zum Kreuz, zur „Erlö-sung für viele“. Aber das spielt keine Rolle. Einer stellt eine Frage. Es ist eine theoretische Frage. Praktische Bedeutung hat sie für die Wandernden nicht.

Es geht nicht um den aktuellen Weg, es geht um das Seelenheil. Vielleicht geht es auch nur um den Fragenden. „Herr, meinst du, dass ich selig werde?“ Vielleicht ist es aber auch die Frage, die die Vielen im Blick hat: Tote bei Katastrophen, Opfer der Kriege, die Gemordeten der Völkermorde. Was ist mit denen? Sind sie gerettet – allein schon durch die Tatsache ihres oft unverschuldeten Todes?
Man kommt bei der Frage nach der Rettung schnell zu Betrachtun-gen, die von einem selbst wegführen. Und doch bleiben die Gedanken immer wieder bei mir selbst hängen: Was ist mit mir? Mit uns als Gemeinde am Bußtag? Gehören wir zu den Seligen?

„Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden?“ Jesus antwortet nicht auf diese Frage. Er sagt einen Satz, der eine indirekte Antwort und eine direkte Aufforderung enthält: „Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, ..., werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden’s nicht können.“ Also werden nur wenige selig? Und: Sind wir dabei? Bin ich dabei?
Es gibt Fragen, die immer wieder äußerst interessante Debatten aus-lösen, die aber letztlich immer wieder um sich selbst herum kreisen und nicht wirklich weiterführen. Die Frage des Wanderers gehört dazu. Eine andere Frage ist: Wie konnte Gott das zulassen? Es gibt auf diese Frage keine schlüssige Antwort, jedenfalls nicht in dieser Welt in diesem Leben.

Die Frage nach der Rettung ist die Frage nach dem jenseitigen Le-ben. Jesus antwortet nicht. Er sieht deutlich die Gefahr, dass durch die Sorge um das jenseitige Leben das Diesseitige verloren geht.
Welche Haltung bringt Seligkeit hervor?, könnte man ja auch fragen. Eine gewisse Kirchlichkeit? (Wenn ja, welcher Konfession?) Die Kenntnis der Heiligen Schrift, der Gebote, des Vaterunsers? Müssen wir uns um die Rettung überhaupt Gedanken machen, wenn nur we-nige gerettet werden? Sind wir das nicht sowieso? Eine Minderheit, vielleicht sogar der heilige Rest?
Jesus illustriert seine Antwort mit einem drastischen Beispiel: Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hi-neinkommen, und werden's nicht können. Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat, und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf!, dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unsern Straßen hast du gelehrt. Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter!

Jetzt wird es ganz praktisch: Wir haben vor dir gegessen und ge-trunken, und auf unsern Straßen hast du gelehrt. Der Herr ist ein guter Bekannter. Heute ist er vielleicht hierzulande weniger auf den Straßen zu hören, aber dafür in den Kirchen, Synagogen, Moscheen und was es da sonst noch an Stätten religiöser Verkündigung gibt. Und dieser Herr, an dessen Tisch wir uns versammeln, der uns lehrt mit seinem Wort, sagt uns: Ich kenne euch nicht? Sind wir verloren?

Die Frage nach der Seligkeit ist eine persönliche Frage. Insoweit ist die Ausgangsfrage unserer Geschichte auch wieder fragwürdig. Es gibt keine Kollektivschuld oder Kollektivverantwortung. Auch wenn sie immer mal wieder ins Gespräch kommt oder sich durch die Ver-mutung, dass „Viele“ verloren sind, nahelegt.

Der Einzelne ist anzusehen. Wenn ein religiöser Fanatiker eine Bombe zündet, dann sind nicht alle Angehörigen dieses Glaubens Fanatiker.

Bleibt also die Aufforderung: Ringt darum, dass ihr durch die en-ge Pforte hineingeht. Wir haben am letzten Sonntag im Gleichnis vom Weltgericht gehört, worauf es da ankommt: Kranke und Gefan-gene besuchen, Hungrigen zu Essen, Durstigen zu Trinken geben.
So einfach ist das. Es ist ja nichts weiter als die Durchführungsbe-stimmung zum Doppelgebot der Liebe.
Und nun fährt mir der Schreck in die Knochen: Wann habe ich das zuletzt getan? Wem bin ich was schuldig geblieben? Habe ich die Seligkeit schon verspielt? Bin ich bei den vielen Verlorenen?
Diesen Schreck möchte ich lieber Erkenntnis nennen: Ich erkenne, dass ich oft hinter dem einfachen Liebesgebot zurückbleibe. Ich ver-gesse Gott, ich vergesse den Nächsten und damit auch eigentlich mich selbst. Denn wenn ich den Nächsten nicht liebe, wie mich selbst, dann kann man fragen, wie es mit der Selbstliebe bestellt ist.
Verloren? So möchte man fast meinen, wenn man die Rede von Je-sus in unserer Wandergeschichte hört. Hinaus gestoßen zu den Heu-lenden und Zähneklappernden, weil man nicht genügt hat, weil es nicht gereicht hat, weil man versagt hat. Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes und all die anderen Gerechten sieht man sitzen am reich gedeckten Tisch. Aber man selbst ist nicht dabei, weil man versagt hat.

Bleibt also nur die Angst, dass es so kommen könnte und ein lebens-langes, krampfhaftes Bemühen, durch so genannte gute Taten oder Werke die Verdammnis zu verhindern.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott möchte, zulässt oder es sogar darauf anlegt, dass wir unser Leben in einer solchen Angst zubringen.

‚Aber es steht doch da. Jesus hat es doch gesagt’, flüstert meine innere Stimme. Ja – aber da steht doch auch: Gottes Barmherzigkeit ist alle Morgen neu. (Klagelieder 3, 22)

Die Frage, um die es geht ist nicht: Wie viele werden selig und wenn ja, bin ich dabei? Die Frage ist: Sollen wir in unserem Leben handeln aus der Angst heraus, wir könnten die Seligkeit verspielen oder sollen wir handeln, weil wir von Gott dazu befreit sind?

Meine Antwort ist: Wir sind befreit zum Handeln. Wir leben nicht unter der Drohung, Gott könnte uns nicht mehr kennen, sondern wir leben alle Morgen neu von seiner großen Barmherzigkeit.
Aber fällt das Pendel nun nicht in das andere Extrem? In Abwand-lung des Bußtagsspruchs könnte man sagen: Gerechtigkeit erhöht ein Volk; aber Verantwortungslosigkeit ist der Leute Verderben.

Wir wissen doch, dass wir verantwortlich sind für das, was wir tun und auch für das, was wir nicht tun. Der Gedanke des Gerichtes am Ende der Zeit verschwindet ja nicht aus der Schrift und auch nicht aus unseren Erfahrungen, die wir mit Verantwortung schon in diesem Leben machen. Aber wenn hier schon gilt, dass eine Strafe Sühne schafft, wieso sollte das nicht auch und erst recht bei Gott gelten?
Es wird nichts Verfluchtes mehr sein. Dieser Satz steht am Ende der Bibel (Offenbarung 22,3). Nur oberflächliche, gedankenlose Men-schen werden diese große Zusage als Aufforderung zur Verantwor-tungslosigkeit missverstehen und damit nichts verstehen.

Wer ein wenig in sich geht, spürt, wie sehr er oder sie von dieser Wahrheit abhängig sind. Durch Lieblosigkeit, Selbstsucht, Gedan-kenlosigkeit gefährden wir uns und setzen damit uns selbst aufs Spiel. Dass uns das immer wieder bewusst wird, dafür haben wir Tage wie den heutigen. Buße tun, heißt immer wieder die Umkehr versuchen.

Die Rede Jesu, die eben noch so düster war, endet mit einer großen Verheißung: Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein. Diese Verheißung illustriert, worauf wir zugehen: Das selige Ende für viele, wohl sogar für alle. Früher oder später.

Amen



Verfasser: Karsten Müller
An der Johanneskirche 1, 06110 Halle (Saale)

Herausgegeben vom

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