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Umkehr

von Matthias Rost (Neudietendorf)

Predigtdatum : 21.11.2018
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Buß- und Bettag
Textstelle : Offenbarung 3,14-22
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Wochenspruch: Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben. (Sprüche 14,34

Psalm: 51, 3 - 14 (EG 727)

Lesungen

Reihe I: Lukas 13, (1 - 5) 6 - 9
Reihe II: Römer 2, 1 - 11
Reihe III: Matthäus 12, 33 – 35 (36 – 37)
Reihe IV: Offenbarung 3, 14 - 22
Reihe V: Lukas 13, 22 - 27 (28 - 30)
Reihe VI Jessaja 1, 10 - 17

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 128 Heilger Geist, du Tröster mein
Wochenlied: EG 232 Allein zu dir, Herr Jesu Christ
Predigtlied: EG 382 Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr
Schlusslied: EG 237 Und suchst du meine Sünde

Predigttext Offenbarung 3, 14 – 22

Sendschreiben an Laodizea

14 Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes:

15 Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach dass du kalt oder warm wärest!

16 Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.

17 Du sprichst: Ich bin reich und habe mehr als genug und brauche nichts!, und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.

18 Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest.

19 Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße!

20 Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.

21 Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron.

22 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

I.

Liebe Gemeinde,

der erste Blick in den Spiegel am Morgen ist bei den meisten Menschen nicht gerade ein fröhlicher Augenblick. Du schaust in ein unausgeschlafenes Gesicht. Du siehst die Falten. Die Spuren von gestern. Die Hinterlassenschaften der Vergangenheit. Du versuchst, einigermaßen Ordnung in die Landschaft deines Gesichts zu kriegen. Das ist manchmal nicht lustig. Ein Spiegel zeigt dir die bloßen Fakten. Und wenn er gut ist, geht er nicht gerade schonend mit uns um.

Sie wissen, was ein Beichtspiegel ist? Eine Reihe von Fragen, die dazu verhelfen, mich selber besser zu erkennen. Mich zu erkennen im erhellenden Licht der Gebote, der verpflichtenden Erwartungen, die Gott an uns stellt. Ein Spiegel schönt das Bild von mir selbst nicht. Ein Beichtspiegel auch nicht. Er zeigt mir ungeschminkt meine Wirklichkeit. Das ist nicht immer angenehm.

Aber der erste Schritt zur Veränderung ist, dass wir ankommen auf dem Boden der Wirklichkeit. Mehr ist heute gar nicht dran, am Buß- und Bettag. Viel mehr nicht, aber das schon: Ankommen auf dem Boden der Wirklichkeit. Die Illusionen, die geschönten Bilder von uns selbst aufgeben. Einen ungeschönten Blick in einen klaren Spiegel tun. Das ist dran. Dazu ist der Bußtag da. Nicht nur dazu, aber dazu auch.

Kann uns der Abschnitt aus der Johannesoffenbarung als Spiegel dienen? Kann das so ein klarer Beichtspiegel für uns sein?

Merkwürdige Beschreibungen einer Gemeinde sind das, auf den ersten Blick gar nicht so klar: „du bist weder heiß noch kalt, sondern lauwarm“. „Du meinst, dass du reich bist, und siehst nicht, dass du arm bist.“ „du brauchst Augensalbe, damit du sehen kannst und von deiner Blindheit für dich selbst geheilt wirst“.

Diagnosen, die für uns zunächst rätselhaft klingen. Sie haben jedoch Anhalt an der Wirklichkeit von Laodicea, wie wir gleich sehen werden. – Aber sagen sie auch etwas über uns?

II.

Laodicea in Kleinasien hatte selbst keine gute Wasserversorgung. Das Wasser wurde aus heißen Quellen in einiger Entfernung durch Wasserleitungen herangeschafft. Aber wenn es in Laodicea ankam, war es lauwarm. Wer mag schon lauwarmes Wasser trinken?! Kalt ist gut. Kalt ist erfrischend und belebend. Heiß ist auch gut. Das wärmt von außen und innen und ist gesund. Aber lauwarm? Wer mag das schon? Das spuckt man gleich wieder aus. – Und wenn eine Gemeinde so ist, weder erfrischend und belebend, noch wärmend und gesund? Keine Stärkung für die Schwachen im Glauben. Keine Erfrischung für die Müden. Kein wärmender Ort für die, die schutzlos sind in der Kälte der Welt. Kein heilsamer Raum für die in der Seele Verletzten. Weder kalt noch heiß, sondern lau. Wer braucht eine solche Gemeinde dann überhaupt? Wozu ist sie gut?

Wir sind nicht Laodicea – aber sind wir lau? Sind wir so, Kirche in Deutschland, Gemeinde in … ? Irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes? Keine Stärkung für die Schwachen im Glauben. Keine Erfrischung für die Müden. Kein wärmender Ort für die, die schutzlos sind in der Kälte der Welt. Kein heilsamer Raum für die in der Seele Verletzten?

Laodicea, die Stadt in Kleinasien, war tatsächlich reich, so reich, dass die Bürger ihre Stadt nach einem Erdbeben im Jahr 60 ohne römische Staatshilfe aus eigener Wirtschaftskraft wieder aufbauen konnte. Wie es aussieht, war auch die junge Christengemeinde von dem Wohlstand nicht gänzlich ausgeschlossen. Vielleicht hatte man sich auch ganz gut darin eingerichtet. Wenn es so ganz gut läuft, wozu braucht man dann überhaupt die Religion? Als Sahnehäubchen obendrauf? Oder nur dann, wenn es mal nicht so rundläuft im Leben? – Dazu sagt die Botschaft nach Laodicea: „Du sprichst: Ich bin reich und habe mehr als genug und brauche nichts!, und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.“ –

Wir sind nicht Laodicea. – Wir, die Kirche in Deutschland, die Gemeinde in … - trifft uns das? Sind wir genauso, wie die junge Gemeinde in Laodicea? Unter der reichen und selbstzufriedenen Oberfläche in Wirklichkeit jämmerlich? Ohne inneren Reichtum? Ohne spirituelle Ausstrahlung? Und dazu noch blind für die eigene Jämmerlichkeit? Ist das Leben in Beziehung zu Gott auch für uns nur noch eine Randerscheinung? Das Sahnehäubchen obendrauf? Oder die Rückversicherung, wenn es mal nicht so rundläuft im Leben?

Laodicea war bekannt für die Augensalbe, die dort hergestellt wurde: aus dem Wasser der nahen Thermalquellen und aus einer Pflanze, die dort zu finden war. Laodicea war also ein Zentrum der antiken Augenheilkunde. Auch die Geschäfte, die damit verbunden waren, werden eine Basis des Wohlstands gewesen sein. Das ist ja heute nicht anders. Gesundheitsvorsorge und Therapieangebote sind ein gigantischer Markt. – „Erwirb dir selber erst mal das Heilende!“, ist die Botschaft an die Gemeinde in Laodicea. Bist du blind für die eigene Jämmerlichkeit? Die Augensalbe, die bei Euch verkauft wird, brauchst Du ja selber.

Wir sind nicht Laodicea. – Geht uns das auch etwas an? Du, Kirche in Deutschland, Gemeinde in …: Was du andern zum Heil anbietest und wichtigmachen willst, brauchst du es nicht am allermeisten selbst? Bist du blind für die eigene Bedürftigkeit?

Heute, am Buß- und Bettag, gilt es, diese Fragen überhaupt erst einmal zuzulassen und auszuhalten. Wie den Blick in den Spiegel am Morgen. Nicht gleich uns wegdrehen und sagen: das betrifft uns, die Kirche in Deutschland, die Gemeinde in … nicht. Sondern ankommen auf dem Boden der Tatsachen. „Du bist weder kalt noch heiß für die Sache des Evangeliums, sondern lau.“ Die geschönten Bilder von uns selbst aufgeben. „Du hast die Illusion, dass du reich seist, aber in Wahrheit bist du jämmerlich arm.“ Die eigene Blindheit eingestehen und uns öffnen für das Heilende.

Aber dann ist da mit einem Mal nicht mehr nur dieser Spiegel, der uns ein schonungsloses Bild von uns selber zeigt. Da ist auch der, der ihn uns vorhält. Und wie über den Spiegel hinweg blickt er selbst uns an.

Denn das sagt der „treue und wahrhaftige Zeuge“ Gottes, der vor allem Anfang war und nach allem Ende sein wird, der Herr in Ewigkeit, das A und das O. Er, dem alle Vollmacht im Himmel und auf Erden gegeben ist. Er ist es, der zu der Gemeinde in Laodizea spricht – durch den Mund des Sehers Johannes, durch das Wort des Boten. Er spricht heute, an diesem Bußtag, auch zu uns.

III.

Liebe Gemeinde, wenn uns der Seher Johannes auf Patmos heute einen Brief von Jesus, dem treuen und wahrhaftigen Zeugen Gottes schreiben würde, dann vielleicht so:

Das sagt der, der arm war wie die Vögel, und nicht einmal eine Heimat auf Erden hatte, wo doch sogar die Füchse ihre Höhlen haben: Ihr seid „Stein“reich. Ihr habt so viele Kirchen, so wunderschöne Gotteshäuser, so reiche Schätze, so große Traditionen. Ich kritisiere an Dir, dass das so viele Kräfte bindet. Ihr seid unendlich beschäftigt, das alles zu erhalten und zu pflegen. Und manch einer hat sich damit auch unter der Hand ein Denkmal gesetzt: Schaut, was wir alles geleistet haben! Darunter erstickt die Lebendigkeit in euren Gemeinden. Darunter kommt zu kurz, wozu ich Euch berufen habe: meinen Namen in die Welt zu tragen, zu leiden mit den Leidenden, zu lachen mit den Fröhlichen. Setzt die Prioritäten wieder richtig, und stellt die Pflege des kulturellen Erbes an die zweite Stelle. Ich werde euch von der Baulast befreien und von der Baulust trennen, es sei denn, eure Gebäude füllen sich wieder mit betenden Menschen und stehen jederzeit offen für die Suchenden.

Was würde er noch an uns schreiben, der Seher Johannes, im Namen des Allerhöchsten, der das A und das O ist? Vielleicht dies:

Das sagt der gute Hirte, der die Seinen stets auf gute Weide und zum frischen Wasser führt, der sich selbst ganz eingesetzt und hingegeben hat für seine Schafe: Ich sehe einige unter euch, die arbeiten bis zur Erschöpfung und darüber hinaus. Als könnten sie durch ihre Anstrengung die Kirche bauen und erhalten. Ich sage euch: Fürchtet euch nicht, nein zu sagen. Schämt euch nicht eurer Armut. Lasst sterben, was nicht mehr lebensfähig ist. Siehe, ich will euch leiten und führen zu den Quellen des Lebens. Dann werden euch viele Durstige folgen und mit euch leben wollen. Weil sie spüren, dass Gottes Leben und seine Kraft bei euch ist und ihr aus ihr lebt. Tut, was ihr in meinem Namen tut, mit betenden Herzen und empfangenden Händen.

Was würde er noch an uns, die Kirche in Deutschland die Gemeinde in … schreiben, der Seher Johannes im Namen dessen, der die Gewaltigen vom Thron stürzt und die Niedrigen erhebt, der die Hungrigen mit Gütern füllt und die Reichen leer ausgehen lässt.

Ich kritisiere an Dir, dass ihr mutlos und still seid. Dass ihr die Freiheit nicht nutzt, aufzustehen und Nein zu sagen, zu protestieren gegen das Unrecht, das die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, in eurem Land und weltweit. Wie viele von euch sind stille Nutznießer dieses Unrechts? Habt ihr nicht alles empfangen aus der Hand des Schöpfers? Ist euch nicht verheißen, dass er für euch sorgen wird? Lebt ohne Angst. Lebt im Vertrauen auf den, der arm war und doch alle reich gemacht hat.

Und vielleicht würde er, an die Kirche im Jahr 2018, hundert Jahre nach dem ersten großen Krieg in Europa und achtzig Jahre, nachdem in Deutschland die Synagogen brannten – vielleicht würde er auch schreiben:

Ich, der Friedensbringer, der die Friedensstifter seligpreist, rufe euch zum unmissverständlichen Friedenszeugnis auf: Sagt Nein zu Waffenexporten. Lasst nicht zu, dass ein Kind in der Welt durch deutsche Waffen getötet, ein Haus in der Welt durch deutsche Panzer zerstört wird.

Und schließlich würde Seher Johannes uns, der Kirche in Deutschland, der Gemeinde in … wohl auch schreiben im Namen dessen, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist:

Du hast eine kleine Kraft. Du bist bedeutungslos. Viele von euch sind lau und müde geworden oder halten sich auf Distanz. Aber ich habe euch mein Evangelium anvertraut und ich werde euch leiten im Geist. Und ich will, dass ihr es in eurer kirchenfernen und gottvergessenen Umwelt weitertragt. Reinigt und klärt eure Sprache. Wo ihr stumm wart, da redet. Wo ihr leere Worte macht, schweigt lieber. Siehe, ich will euch reinigen mit glühenden Kohlen und eure Zungen und euer Denken mit pfingstlichem Feuer entflammen. Lasst fahren eure Bedenklichkeit. Sucht das verlorene Schaf. Es ist ja nicht eines, 99 sind es. Geht an die Hecken und Zäune, dass mein Haus voll werde. Eure Gottesdienste mögen gastfreundlich sein. Eure Predigten sollen trösten. Eure Gebete dürfen voller Sehnsucht und Leidenschaft sein. Und ich verspreche euch, ich werde hören, was euer Herz spricht, auch wenn der Mund schweigt.

IV.

Liebe Gemeinde,

angenehm ist er nicht, der Blick in den Spiegel am Morgen genauso wenig, wie der Blick in den Spiegel, den uns die Heilige Schrift vorhält. Aber wir wissen ja: Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. Und wir wissen auch: Buße ist beides: Einsicht in unsere Verfehlungen, unsere Schuld, unser Versagen – und zugleich Umkehr und Hinwendung zum Leben. Das erste Wort Jesu im Evangelium ist: Tut Buße – kehrt um! – und glaubt an das Evangelium – also wendet euch hin zum Leben. Er, der uns den Spiegel vorhält, ruft uns zugleich ins reichere Leben, ins Licht, in die Freude, ins Reich Gottes, ins Glück der Gemeinschaft mit ihm.

Amen

Verfasser: Pfarrer Dr. Matthias Rost, Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf


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