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Unsere Zeit in Gottes Händen

von Martin Bender (55128 Mainz-Bretzenheim)

Predigtdatum : 31.12.2000
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Silvester (Altjahrsabend)
Textstelle : Johannes 8,31-36
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Wochenspruch:

Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte. (Psalm 103,8)

Psalm: 121 (EG 749)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 30, (8-14) 15-17
Epistel:
Römer 8,31b-39
Evangelium:
Lukas 12,35-40

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 329
Bis hierher hat mich Gott gebracht
Wochenlied:
EG 59
oder EG 64
Das alte Jahr vergangen ist
Der du die Zeit in Händen hast
Predigtlied:
EG 296
Ich heb mein Augen sehnlich auf
Schlusslied:
EG 321
Nun danket alle Gott

31 Jesus sprach zu den Juden, die an ihn glaubten: Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger 32 und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. 33 Da antworteten sie ihm: Wir sind Abrahams Kinder und sind niemals jemandes Knecht gewesen. Wie sprichst du dann: Ihr sollt frei werden? 34 Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. 35 Der Knecht bleibt nicht ewig im Haus; der Sohn bleibt ewig. 36 Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.

Liebe Gemeinde!
Es ist ein eigenartiger Text, der uns für den heutigen Abend zum gemeinsamen Nachdenken empfohlen ist. Eine eigenartige Verschlüsselung von Wahrheit und Freiheit. Und dabei sind wir doch hier zusammengekommen, um miteinander nachzudenken über das abgelaufene Jahr, im Nachdenken darüber Gott zu bitten um das, was wir brauchen: Vergebung für das Unrecht und die Fehlleistungen des Jahres, einen guten Übergang in das neue Jahr, um sein Geleit auf der unmittelbar vor uns liegenden Wegstrecke und auch auf dem ferneren Lebensweg.
Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Vielleicht wird es uns klar, wenn wir einfach einmal am Text entlang gehen: „Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger“ - also sind wir seine Jünger, denn wir fragen nach seinem Wort, sonst säßen wir nicht hier, um auf sein Wort zu hören und zu ihm zu beten. Aber Bleiben ist mehr als nur gelegentlich zuzuhören, wie es heutzutage vielfach Mode ist. Man kommt vor allem an Weihnachten zur Kirche, weil es da so feierlich ist.
Bleiben an seiner Rede - das ist etwas von Dauer. Gerade hier ist das Wort tröstend für uns, denn wir wenigen, die wir heute abend hier versammelt sind, gehören doch zum so genannten „harten Kern“ der Gemeinde.
Es ist ja weitgehend aus der Mode gekommen, zum Jahresschluss noch einmal auf sein Wort zu hören und damit das abgelaufene Jahr rückblickend und rückwirkend unter sein Wort und unter seinen Schutz zu stellen.
Und da wir dies tun, so werden wir die Wahrheit erkennen. Was ist denn da so Besonderes dran?
Und: Braucht man, um die Wahrheit zu erkennen, den Glauben an das Wort Gottes, den Glauben an seinen Sohn Jesus Christus und an sein Wort? Was ist denn die Wahrheit? ist nicht die Wahrheit eine objektive Sache? Da stellt uns unsere Vernunft sofort die Frage: ist sie nicht einfach etwas, wofür wir nur unseren Verstand einzusetzen brauchen, den wir dafür von Gott geschenkt bekommen haben?
Andererseits: Haben nicht Jahrhunderte lang die Mächtigen sich bei der Wahrheitsfrage auf die Bibel bezogen und vor allem auf das, was sie daraus abgeleitet haben? Und mussten nicht um einer angeblichen Irrlehre willen viele große Denker auf den Scheiterhaufen gehen, wenn sie nicht abschwören wollten? Und heute wissen wir, dass sie recht hatten.
Wenn wir die Wahrheit erkannt haben, dann haben wir sie erkannt - oder etwa doch nicht? Was ist denn die Wahrheit - oder gibt es etwa noch andere Wahrheiten als die, die wir zu erkennen versuchen? - Das alles sind Fragen, mit denen sich die Philosophen schon seit Jahrtausenden beschäftigen.
Was hier mit der Wahrheit gemeint ist, die wir erkennen werden, das ist eben mehr als das Übliche.
Um welche Wahrheit geht es hier? – Nicht um Erkenntnisse unserer Welt, unseres Welt-Bildes, sondern um die Welt-Sicht, das ist die Sicht der Welt, wie sie sich zeigt für unser ganz persönliches Leben.
Erkennen, das heißt hier, nicht nur etwas zu wissen, dass das so ist, sondern dass wir uns das Gehörte und das Gesehene zu eigen machen. Damit geht es hier um etwas anderes. Eigentlich müsste es für uns doch völlig klar sein, dass letztlich jede Wahrheit - und damit auch die einzige, wirklich objektive Wahrheit von Gott kommt, dass alles andere nur relative Wahrheiten sind, die sich der einzig wahren unterzuordnen haben. Es gibt wohl nur wenige Menschen, die nicht immer wieder von Zweifeln oder Fragen gequält würden, ob das alles so zu glauben ist, was in der Bibel steht, wie es da geschildert und beschrieben ist, und wie es uns im Laufe unseres Lebens vertraut geworden ist.
Hier sind wir an einem entscheidenden Punkt des ganzen Gedankenganges angekommen: Die Wahrheit wird uns frei machen. Auch frei von Zweifeln und bohrenden Fragen. Nicht, dass die Fragen nicht immer wieder auf uns zukämen; nicht, dass sich nicht immer wieder Zweifel bei uns einschleichen könnten um unser Verhältnis zu Gott. Aber die Freiheit, die hier gemeint ist, wird uns helfen, aus all dem wieder herauszukommen, dass wir nicht von allerlei Anfechtungen gefangen gehalten werden. So jedenfalls dürfen wir dieses Wort verstehen. Die Jünger, zu denen Jesus das damals gesagt hat, verstanden es nicht so, denn da kommt sofort die Frage: „Wir sind Abrahams Kinder und niemals jemandes Knecht gewesen. Wie sprichst du dann: Ihr sollt frei werden?“
Solche Gedanken hören wir doch fast täglich, und auch wir selbst sind nicht ganz frei davon. Haben wir nicht schon so viel gelernt über die Freiheit des Christenmenschen? Nehmen wir nicht auch für uns das Recht auf Meinungs- und Willensfreiheit in Anspruch?
Sind wir denn da nicht schon frei genug, viel freier, als sich auch die Menschen damals fühlten, die auf den Messias warteten?
Die Freiheit, um die es hier geht, ist mehr als das Übliche. Sie steht in einem speziellen Zusammenhang, der uns gerade von Johannes deutlich vor Augen geführt wird:
Da sind die Gegensätze von Oben und Unten, von Licht und Finsternis, von Wahrheit und Lüge, von Freiheit und Knechtschaft. Gerade die Freiheit, um die es hier geht, hat ihren Gegensatz in einer besonderen Knechtschaft:
Da kommt das harte Wort von Jesus: „Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht.“ Und da wir alle nicht frei von Sünde sind, sind wir der Sünde Knecht. Sünde, das ist nicht die einzelne Verfehlung. Sünde ist der Zustand des von Gott abgefallenen Menschen, der in der Absonderung von Gott lebt. Nicht die einzelne Verfehlung, das einzelne Unrecht ist die Sünde, sondern die Tatsache, daß wir uns immer wieder losreißen von Gottes Geleit, von seiner Wegweisung, ja - von seiner Hilfe, die er uns täglich bietet, um das Leben zu bestehen.
Das ist die Wahrheit, dass da einer den Weg unseres Lebens für uns vorausgegangen ist - nicht jeden einzelnen Schritt unseres Lebensweges, sondern den Lebensweg insgesamt. Und so brauchen wir keine Angst mehr zu haben vor neuen Schritten ins Ungewisse, die uns jeden Tag neu bevorstehen. Wenn wir bleiben an seinem Wort, dann bleiben wir in der Zuversicht, dass er uns nicht fallen lässt.
Dazu gehört zweierlei: Zum einen die Tatsache, dass er uns durch jeden Tag hindurch geleiten will.
Zum andern die Tatsache, dass er uns jeden Tag aufs neue annimmt, wenn wir uns wieder von seiner Hand losgerissen haben. Wenn wir jetzt an diesem Abend des zu Ende gehenden Jahres Rückschau halten auf den hinter uns liegenden Weg, dann sehen wir mit Erschrecken, dass da so manche dunklen Punkte oder gar Flächen sind. Von diesen will er uns frei machen. Er hat uns auch zugesagt, dass wir weiße Gewänder bekommen sollen.
Das ist ein Bild, mit dem ausgedrückt werden soll, dass alle Verfehlungen, alle Schuld, alle Sünde von uns genommen werden soll. Wir finden Aufnahme in seinem Haus wie der verlorene und heimgekehrte Sohn in jenem Gleichnis. Wenn wir diese Wahrheit erkennen, anerkennen und annehmen, dann werden wir nicht mehr Knechte sein. Dann werden wir auch nicht mehr den Zwängen unterliegen, die so grausame Herrschaft über das Geschehen dieser Welt ausüben.
Frei zu sein, das bedeutet im Sinne unseres Textes, daß wir den Eigengesetzlichkeiten dieser Welt nicht mehr unterworfen sind. Das ist eine großartige Wahrheit. Sie soll uns trösten an diesem Abend und uns gewiss machen, dass wir alle Schuld des Jahres in seine Hände geben dürfen und sie damit los sind. Und sie soll uns die Zuversicht geben, dass er uns auch im neuen Jahr begleiten will, solange wir sein Geleit annehmen. Amen.

Verfasserin: Prädikant Martin Bender, Südring 98, 55128 Mainz

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