Menü

Viererlei Ackerfeld

von Theo Günther (36341 Lauterbach)

Predigtdatum : 19.02.2006
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Sexagesimae
Textstelle : 2. Korinther (11,18. 23b-30);12,1-10
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch:

Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht. (Hebräer 3,15)
Psalm: 119,89-91.105.116 (EG 748)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 55, (6-9) 10-12a
Epistel:
Hebräer 4,12-13
Evangelium:
Lukas 8,4-8 (9-15)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 497
Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun
Wochenlied:
EG 196
oder EG 280
Herr, für dein Wort sei hoch gepreist
Es wolle Gott uns gnädig sein
Predigtlied:
EG 289
Nun lob, mein Seel, den Herren
Schlusslied:
EG 384
Lasset uns mit Jesus ziehen

[18 Da viele sich rühmen nach dem Fleisch, will ich mich auch rühmen. 23 Ich habe mehr gearbeitet, ich bin öfter gefangen gewesen, ich habe mehr Schläge erlitten, ich bin oft in Todesnöten gewesen. 24 Von den Juden habe ich fünfmal erhalten vierzig Geißelhiebe weniger einen; 25 ich bin dreimal mit Stöcken geschlagen, einmal gesteinigt worden; dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, einen Tag und eine Nacht trieb ich auf dem tiefen Meer. 26 Ich bin oft gereist, ich bin in Gefahr gewesen durch Flüsse, in Gefahr unter Räubern, in Gefahr unter Juden, in Gefahr unter Heiden, in Gefahr in Städten, in Gefahr in Wüsten, in Gefahr auf dem Meer, in Gefahr unter falschen Brüdern; 27 in Mühe und Arbeit, in viel Wachen, in Hunger und Durst, in viel Fasten, in Frost und Blöße; 28 und außer all dem noch das, was täglich auf mich einstürmt, und die Sorge für alle Gemeinden. 29 Wer ist schwach, und ich werde nicht schwach? Wer wird zu Fall gebracht, und ich brenne nicht? 30 Wenn ich mich denn rühmen soll, will ich mich meiner Schwachheit rühmen.]
12,1 Gerühmt muss werden; wenn es auch nichts nützt, so will ich doch kommen auf die Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn. 2 Ich kenne einen Menschen in Christus; vor vierzehn Jahren - ist er im Leib gewesen? Ich weiß es nicht; oder ist er außer dem Leib gewesen? Ich weiß es auch nicht; Gott weiß es -, da wurde derselbe entrückt bis in den dritten Himmel. 3 Und ich kenne denselben Menschen - ob er im Leib oder außer dem Leib gewesen ist, weiß ich nicht; Gott weiß es -, 4 der wurde entrückt in das Paradies und hörte unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann. 5 Für denselben will ich mich rühmen; für mich selbst aber will ich mich nicht rühmen, außer meiner Schwachheit. 6 Und wenn ich mich rühmen wollte, wäre ich nicht töricht; denn ich würde die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber dessen, damit nicht jemand mich höher achte, als er an mir sieht oder von mir hört. 7 Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. 8 Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir weiche. 9 Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne. 10 Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.
Hinführung zum Text:
Zur Situation des Textes im 2. Korintherbrief sei aus der Einleitung zum selbigen in der Stuttgarter Erklärungsbibel (Dt. Bibelgesellschaft, Stuttgart 1992) zitiert:
„In Korinth waren christliche Verkündiger aufgetaucht, die gegen Paulus intrigierten. Es sind Judenchristen palästinensischer Herkunft (11,22); sie beanspruchen betont die Apostelwürde (11,5; 12,11), weisen Empfehlungsbriefe anderer Gemeinden vor (3,1), berufen sich auf besondere Offenbarungen (12,1) und Ekstasen (5,11-13), rühmen sich des Glanzes (der „Herrlichkeit“) ihrer Schriftauslegung (3,7-8) und werfen Paulus Schwäche im Auftreten und in der Rede vor (10,1-11;11,6.20f). Die Auseinandersetzung mit diesen Vorwürfen prägt den ganzen Brief. … In diesem Zusammenhang zählt Paulus in 11,22 – 12,10 Leiden und Verfolgungen auf, in denen er Kennzeichen des wahren Apostels sieht, und bekennt sich zu seiner Schwachheit (12,9).“
Hinführung zur Predigt:
In der Predigt will ich versuchen, das Paradox aufzunehmen, vor das uns Paulus stellt, wenn er sich seiner „unrühmlichen“ Schwachheit rühmt. Mir begegnet auch heute zum einen der Zwang zur positiven Selbstdarstellung allerorten (z. B. Werbung, Corporate Identity auch in der Kirche); zum anderen zeigt sich die befreiende Botschaft des Evangeliums gerade darin, dass es mich unter diesen Zwang des „Gut-Dastehen-Müssens“ hinein stellt, sondern ich ein angenommener bin – gerade in meiner Schwachheit.
Im Umfeld der Faschingskampagnen am vorletzten Sonntag vor Rosenmontag scheint mir ein kurzer Verweis auf die Wahrheit, die oft im überspitzten „Un-Sinn“ liegt, angebracht. Was Paulus sagt, wird auch als „Narrenrede“ bezeichnet. Die leichtfertigen Narren, die an Fasching lediglich ihre Zoten bis unter die Gürtellinie runter lassen, werden wohl nicht im Gottesdienst zu erwarten sein – wohl aber Gemeindeglieder, denen vielleicht das billige Lachen überdrüssig ist, weil sie selbst von Leid, Trauer, Krankheit geplagt sind. Ihnen gilt der verheißungsvolle Schluss: Wo ich schwach bin, da will und kann Christus stark sein in mir!
Gebet: Herr, guter Gott, begleite unser Reden und Hören, sei mit deinem Heiligen Geist unter uns, dass wir zur Erkenntnis deiner Wahrheit kommen

Liebe Gemeinde,
„gerühmt muss werden, wenn es auch nichts nützt“ – fängt Paulus hier den Abschnitt an. Die Werbeleute heute sagen es genau umgekehrt: „Gerühmt muss werden, sonst nützt es nichts“. Scheinbar hat Paulus die Gesetze des Marktes noch nicht so richtig verstanden, sonst würde er wohl seine Vorzüge anpreisen – so wie die Kirche das ja heute auch z. T. versucht: „Evangelisch aus gutem Grund“, heißt es da seit ein paar Jahren auf allerlei Papier. „Aus gutem Grund“  wir sollen uns rühmen, um gehört zu werden mit dem Guten, das wir als Kirche tun --> so sagen es uns die Werbestrategen und die Kommunikationsfachleute. Unser Produkt sei schließlich besser als unser Ruf.  „Tue Gutes – und rede darüber“, lautet die Devise kirchlichen Erfolgs.
Na ja --> ob die flotten Werbesprüche die Menschen überzeugen und die Menschen an unsere evangelische Kirche binden? Man kann Zweifel haben  Und nachdem, was Paulus hier bei den Korinthern durchprobiert, erst Recht. Er verteidigt und rühmt sich hier nämlich mit einer so genannten „Narrenrede“.
„Narrenrede“ kommt mir in diesen Tagen mitten in der Hoch-Zeit der Faschingskampagne wieder sehr bekannt vor. Bei den Narren wird die Wirklichkeit auf den Kopf gestellt - oder vielleicht besser: die kopfstehende Wirklichkeit wird auf die Füße gestellt. „Narren und Kinder sagen die Wahrheit“, heißt es. --> Die Politik im Großen und Kleinen darf in ihrer Schamlosigkeit beim Namen genannt werden – die Skandale und Skandälchen in Land und Dorf werden noch einmal zur Sprache gebracht und (wenn’s gelingt) mit spitzer Zunge hinterfragt – man lacht (ob zu Recht oder Unrecht) über Menschen, die durch ihre ausgeprägten Eigenarten wie auch immer Anlass dazu bieten.
„Narren und Kinder sagen die Wahrheit“. Der Narr hält den Spiegel hin und es erscheint darin die ungeschminkte Wahrheit  verzerrt, überspitzt und gerade in der Übertreibung auf den Punkt gebracht. --> Das macht auch Paulus. Auch ihm geht es um die ungeschminkte Wahrheit, die er den Korinthern vorhalten will.
Worum geht es?
In Korinth gibt es Streitigkeiten. Pls. hat die Gemeinde gegründet – dann sind andere Apostel gekommen und haben das Evangelium anders verkündet. Heute würden wir vielleicht davon sprechen, dass sie auch Christen waren, aber einer anderen Konfession angehörten. Es gibt erhebliche Unterschiede in ihrer Verkündigung. --> Ein wesentliches Kennzeichen dabei ist der Absolutheitsanspruch der anderen Apostel: Sie behaupten, die besseren Christen zu sein. Sie nehmen für sich in Anspruch, mehr bieten zu können: mehr Offenbarungen, mehr Zeichen, mehr Wunder. Sie rühmen sich ihrer Redekunst und ihrer Beliebtheit. Sie machen einfach „mehr her“, „verkaufen sich besser“, wirken attraktiver.
Wer die bessere Werbung hat, hat auch das bessere Produkt!  Klar!  Oder?!
Wie soll Paulus damit umgehen? Klein beigeben?: „Ok – ihr seid besser, dann such’ ich mir eine Gemeinde, die mit weniger zufrieden ist.“  das wäre ein Verrat an der Sache – ein Verrat an den eigenen abweichenden Glaubensinhalten. <-- Andererseits: Soll er sich auf das „Imponiergehabe und Eigenlob“ einlassen?  dann ist er aber schon von vornherein keinen Deut besser - dann käme es ja wirklich nur auf die bessere Werbung und nicht auf das bessere Produkt an. --> Wer „Evangelisch aus gutem Grund“ sagt und auf der Fahne zeigt, ohne ein paar gute Gründe nennen zu können, die sein Bekenntnis zur Evangelischen Kirche ausmachen, ist doch letztlich ein „hohler“ Evangelischer und schnell entlarvt, wenn’s um die Sache des Glaubens geht.
Was also soll Paulus tun? Er muss versuchen, sich zu rühmen, ohne sich zu rühmen! --> Und das macht er mit seiner sog. „Narrenrede“: Er rühmt sich so, dass er lächerlich erscheint – er rühmt sich so, dass er, wenn nicht als Trottel, so doch mindestens als verschrobener Schwächling dasteht: er listet auf, wie er Schläge erhalten hat und im Gefängnis saß, er erzählt von seinen Ängsten und seinen Misserfolgen. (s. Kap. 11,23ff)
Paulus macht sich selbst zum Narren, um den Gegnern den Spiegel vorzuhalten: „Wer sein Evangelium mit Imponiergehabe und Eigenlob durchsetzen muss, der macht das Evangelium lächerlich!“, will er den Korinthern sagen. --> „Tue Gutes und rede darüber“, ist in Ordnung, aber es darf nicht umgekehrt werden: „Tue, was du willst und rede es gut!“  das darf nicht der Maßstab sein.
Und jetzt kommt er noch einmal auf das Rühmen zu sprechen: „Gerühmt muss werden, wenn es auch nichts nützt“. Jetzt berichtet er von Erscheinungen, die ihm zu Teil geworden sind --> aber was nützen die der Gemeinde? Was nützt es den Korinthern, wenn er ekstatische Erlebnisse hat, außer sich ist und sich Gott in unbeschreiblicher Weise direkt gegenüber sieht? Was nützt es, davon zu erzählen, wenn die Gemeinde das Gegenteil vor sich sieht: ein kleiner, schwächlich und krank wirkender Mann, der wohl manchmal zu Übereifer und Jähzorn neigt?
Was nützt es der Gemeinde, von unbeschreiblichen Dingen zu reden, die sie zwar toll finden und bestaunen können, die dabei aber so unglaublich anders sind als das, was sie vor Augen haben und vor allem: was nützt es, von solchen tollen Erlebnissen zu schwärmen, wenn die Christen in Korinth (und nicht nur dort und damals) was nützt es, von solchen tollen Erlebnissen zu schwärmen, wenn die Christen sich selbst so ganz und gar anders erleben? --> Geht es Ihnen, liebe Gemeinde, nicht auch oft so, dass sie sich ohnmächtig umfangen fühlen von Leid, Misserfolg, Trauer und unerhörten Gebeten? Und was nützt mir dann der gut gemeinte Jubelruf eines Christen, dass Christus für meine Sünde gestorben und auferstanden ist und ich doch glauben soll und dann froh sein kann? Ist da der Rat-Schlag nicht mehr Schlag als Rat?
Paulus will bei dieser Jubelparade tollen Glaubens nicht mitmachen. Nicht das tolle Eigenlob gilt es in den Vordergrund zu stellen, sondern Gott selbst, der sich seiner Schwachheit annimmt. Wenn es was zu rühmen gibt, dann ist es ein Gott, der keine tollen Helden braucht, sondern uns Menschen so annimmt, wie wir sind: mit unseren Schwächen und Krankheiten, mit unseren Fehlern und Zweifeln, mit unserer Ungeduld und Trauer! --> Wenn es was zu rühmen gibt, dann ist es dieser Gott, der in Jesus Christus erschienen ist, um uns gerade da bei uns zu sein, wo wir schwach sind.
Paulus kennt die „Warum-Fragen“ „Warum lässt mich Gott so leiden? Warum ich? Warum kann es nicht aufhören? Bitte, guter Gott, lass es ein Ende haben!“ --> Paulus kennt diese Fragen und Bitten, die Menschen bis heute immer wieder bewegen, wenn sie vom Leid betroffen sind. Paulus kennt diese Fragen, er hat sie selbst oft genug gestellt --> und er kommt zu einer anderen Antwort, als er sie sucht: Gott sagt ihm: „Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“
Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. Was das heißt, können wir wohl erst erfahren, wenn wir flehend vor Gott stehen, weil wir nicht weiter wissen und mit unserer Kraft am Ende sind. Paulus hat es erfahren: Er ist krank und behindert, er trägt seine schuldhafte Vergangenheit, ein Christenverfolger gewesen zu sein mit sich herum, er hat Misserfolge und Trauer hinter sich --> und trotzdem hält Gott an ihm fest – trotzdem nimmt Gott gerade ihn als Boten für seine gute Botschaft. Gerade als diese „schwache Figur“, die nicht „viel hermacht“, ist er Gott wichtig.
Ist es nicht eine befreiende Gnade, zu erfahren, dass ich nicht abgeschrieben bin, wenn ich auch nicht die (selbst-)gewünschte Leistung erbringe? Ist es nicht eine Gnade, dass ich mich nicht verbiegen muss, um mitprotzen und mitangeben zu können? Ich darf sein, der ich gerade bin: auch wenn ich elend, schwach, traurig oder armselig bin. --> Wenn es denn was zu rühmen gibt, dann ist es dieser Gott, der die Schwachheit nicht ausklammert, sondern ihr Würde und Ansehen gibt! So möchte ich mich auch gerne zu dem Slogan „Evangelisch aus gutem Grund“ bekennen: Ja, es ist ein guter Grund, diesem Gott der Gnade anzugehören, bei dem ich sein darf, der ich bin, ohne mich verstellen zu müssen. --> Zum Schluss sagt Paulus (V 10): „Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten, um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark (oder besser: so ist Christus stark in mir)!“Amen.

Verfasser: Pfr. Theo Günther, Unterdorf 5, 36341 Lauterbach

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de