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Viererlei Ackerfeld

von Martin Kunze (06484 Ditfurt)

Predigtdatum : 03.02.2002
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Sexagesimae
Textstelle : Apostelgeschichte 16,9-15
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Wochenspruch:

Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht. (Hebräer 3,15)

Psalm: 119,89-91.105.116 (EG 748)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 55, (6-9) 10-12a
Epistel:
Hebräer 4,12-13
Evangelium:
Lukas 8,4-8 (9-15)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 250
Ich lobe dich von ganzer Seelen
Wochenlied:
EG 196
oder EG 280
Herr, für dein Wort sei hoch gepreist
Es wolle Gott uns gnädig sein
Predigtlied:
EG 241
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen
Schlusslied:
EG 171
Bewahre uns, Gott

Hinführung:
Zum besseren Verstehen dieses Einschnittes in der Verkündigungsarbeit des Paulus wird auf den Kontext eingegangen.
Nach dem Apostelkonzil (Apg. 15) war Paulus die Heidenmission bestätigt worden: die Heidenchristen gehören zum Volk Gottes. Jetzt ist die Tür aufgetan, das Christenzeugnis „bis an die Enden der Erde“ (1,8) weiterzusagen.
Die zweite Missionsreise ist jedoch von dem Konflikt überschattet, der historisch gewiss mehr beinhaltet, als wie der Streit um Johannes Markus (Apg. 15, 36-41), denn in Gal. 2, 11-21 deckt Paulus die Hintergründe auf. Als Heuchelei des Evangeliums zuwider verurteilt er das Verhalten des Petrus und des Barnabas, die auf die Weisung einer aus Jerusalem gesandten Delegation die Tischgemeinschaft mit den Heidenchristen in Antiochia brachen.
So sieht sich Paulus gegenüber Petrus, Barnabas und der Mehrheit der Gemeinde isoliert, und er riskiert den offenen Bruch, um seine Missionsarbeit zunächst ohne Rückhalt einer aussendenden Muttergemeinde weiterzutreiben.
Als Heidenchrist an Fragen des Gesetzes wohl nicht mehr interessiert, sieht Lukas das Dekret nun unter heilsgeschichtlichem Aspekt. Die Brisanz des Antiochenischen Zwischenfalls verblasst in der Apg. Zugunsten einer Konzeption, die im Rückblick auf die paulinische Verkündigung die von Gottes Geist bewirkte Glaubensgeschichte nur als Geschichte des Heils verstehen kann.
Der stilisierte Bericht (16,6-8) von der zweimal geänderten Reiseroute soll verdeutlichen, dass der Weg nach Troas von Gottes Geist gewiesen wurde.
Die Perikope ruft dazu auf, die menschlich-irdischen Wege ernst zu nehmen, auf denen Gottes Wort zu uns kommt. Sie will zum Überdenken der eigenen Biographie anleiten, in der wir Gottes Spuren entdecken können.

Liebe Gemeinde!
Vor vielen Jahren erschien ein Buch mit dem Titel: „Und führen, wohin Du nicht willst.“ Das gleiche erlebte der Apostel Paulus:
Nach seiner ersten Missionsreise hatte er in Jerusalem heftigen Streit mit den judenchristlichen Stammaposteln. Diese bestanden darauf, dass auch für die neu gewonnenen Christen die mosaischen Gesetze, wie z. B. die Beschneidung, gelten sollten. Erst nach langen Auseinandersetzungen kam es zu einem Kompromiss, in dem es Paulus erlaubt wurde, den Heiden die gute Nachricht von Jesus dem Christus ohne das Joch der alten Gesetze zu verkündigen.
Paulus sieht nicht wie ein Sieger aus, als er zu seiner zweiten großen Missionsreise aufbricht. Der Groll über den Zusammenstoß mit Petrus und Barnabas rumort noch in ihm. War sein Verhalten vielleicht nur Sturheit oder durch das Evangelium legitimiert, das den neu bekehrten keine neuen Lasten auferlegt sollte?
Nach dem Besuch mehrerer schon gegründeter Gemeinden plant Paulus, nach Ephesus zu gehen, dem kulturellen und religiösen Zentrum an der Westküste Kleinasiens. Eine Krankheit vereitelt das Vorhaben. Der Weg nach Norden an den Bosporus scheitert ebenfalls an Hindernissen. Soll er umkehren? Welchen Weg will ihm Gott weisen? Er wendet sich schließlich nach Troas, einer belebten Hafenstadt in der Nähe des Bosporus. Was soll er hier?
9 Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!
10 Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen.
11 Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis 12 und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt. 13 Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen.
14 Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, sodass sie darauf Acht hatte, was von Paulus geredet wurde. 15 Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns.
Ein entscheidender Schritt ist getan: Paulus, der Botschafter der Guten Nachricht, kommt nach Europa! In Philippi angekommen, sind Paulus und seine Gefährten ratlos. Die Stadt ist geprägt von römischer Kultur. Ihre Einwohner sind Legionäre und ihre Familien. Es herrscht der Kaiserkult. Vergeblich sucht Paulus nach einer Synagoge, um dort Juden zu treffen, an die er sich wenden kann, wie er es sonst tat in anderen Städten. Soll er sich einfach auf die Straße stellen und predigen? Vielleicht war es nicht richtig, hierher zu kommen, wo sie anscheinend niemand möchte?
Am Sabbat endlich ergibt sich eine Gelegenheit draußen vor der Stadt am Fluss. Doch nur einige Frauen haben sich dort versammelt. Paulus und sein Freunde setzen sich zu ihnen, und verkündigen ihnen die neue frohe Botschaft. Nur eine Frau hört wirklich zu, Lydia, eine Purpurhändlerin. Ihr schließt Gott das Herz auf. Sie möchte mehr erfahren von diesem Jesus aus Nazareth. Sie glaubt der Guten Nachricht von Jesus, dem Christus. Schließlich lässt sie sich mit ihren Angehörigen taufen, das heißt: Sie bekennt öffentlich ihren Glauben an den dreieinigen Gott und beginnt ein neues Leben. So entsteht eine kleine Hausgemeinde in der fremden Stadt. Hier ist der Samen auf gutes Land gefallen und wird hundertfältig Frucht bringen!
Die erste christliche Gemeinde auf europäischem Boden. Es war eine weltgeschichtliche Stunde: Der Brückenschlag des Evangeliums von Asien nach Europa! Lukas hat diese Ereignisse von der Ankunft in Philippi viele Jahre danach aufgeschrieben. Lukas blickt auf die Wirkungsgeschichte und staunt. Er kann darin nur das Wirken des Geistes Gottes sehen. Denn anders wäre es nicht denkbar, dass nur wenige Jahrzehnte nach Paulus Kirchen in allen Völkern entstanden. Da gibt es Häuser, die zur Basis von Gemeindearbeit werden, Väter und Mütter des Glaubens, welche die Saat des Evangeliums ausstreuen.
Das Evangelium, was heißt das? Das will nichts anderes besagen, als dass nun auch diese Mazedonier, diese Griechen, diese Römer und all die fremden Völker vernehmen sollen, was Juden schon längst vernommen haben: dass Gott sie liebt. Gott liebt uns!
Diese Botschaft aber, dass Gott uns Menschen liebt, hat nun überraschende und erstaunliche Folgen. Paulus schreibt später einmal an die Gemeinde in Rom: „Das Evangelium ist eine Gotteskraft zu retten alle Glaubenden“ (Röm. 1, 16).
Unabsehbare Kraftwirkungen gehen von dem Evangelium aus, das die paar Männer am Morgen nach jener Nacht ans europäische Ufer herüber bringen. Die erste Folge, wenn Menschen gehört haben, dass Gott sie liebt, besteht darin, dass nun auch sie ihrerseits Gott lieben dürfen und sollen.
Wer aber Gott liebt, und das ist eine weitere Wirkung des Evangeliums, der ist auch in die Lage versetzt, seinen Nächsten zu lieben: „Du sollst Gott, deinen Herren, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit allen deinen Kräften, und deinen Nächsten wie dich selbst“ (Luk. 10, 27).
Mit der Ausbreitung des Evangeliums entstanden christliche Bruderschaften. Sie schufen im Namen der Nächstenliebe Hospitäler für Kranke und Arme. Sie gründeten Schulen für die Erziehung der Jugend. Sie brachten als Missionare das Evangelium anderen Völkern. Sie bauten selbstlos Dome und Kirchen zur Ehre Gottes. Die christliche Ethik wurde zur Wiege von Freiheit und Menschenrechten.
Dass das Evangelium in der Geschichte auch missbraucht wurde, um mit Gewalt Machtansprüche durchzusetzen, wissen wir, und soll nicht verschwiegen werden. Das Evangelium verbietet Gewalt.
Wo kommen wir in dieser Geschichte vor? Mit dem Brückenschlag des Evangeliums von Asien nach Europa ist Gottes Wort auf einem langen Weg auch zu uns gekommen.
Bitte überlegen Sie einmal, wie das Wort Gottes Sie erreicht hat. Haben es Ihnen die Eltern vermittelt oder später ein Fremder, wie es die Lydia erlebte? Manchmal scheint es ein verschlungener Weg zu sein, bis es uns trifft und Gott uns Herz und Verstand aufschließt. So lang der Weg des Evangeliums zu uns auch ist, es altert nicht und verliert nicht an Kraft und an Aktualität.
Wir sind Glieder in der langen Kette der Geschichte des Glaubens. Wem sind wir die Weitergabe schuldig?
Wir leben in einer Umwelt, die zunehmend in Distanz zur Kirche lebt. –Viele erfahren das auch in der eigenen Familie. Das macht traurig und auch ängstlich, den eigenen Glauben offen zu bezeugen. Sollte auf diese Weise Gottes Saat in uns absterben?
Trotz aller seiner Probleme war Paulus wach für das Zeichen, setzte er über an das fremde Ufer, bereit, Gottes Wort weiterzusagen. Und es kam alles anders, als er es geträumt hatte: Kein hilfesuchender Mann erwartete ihn am Ufer, sondern erst nach langem Suchen fand er ein paar Frauen.
Sind wir wach für die leisen Signale und Zeichen von Menschen, die uns zu verstehen geben: „Komm, hilf uns?“ Oder hängen wir unseren Träumen nach?
Lasst uns Brücken schlagen, Brücken des Evangeliums zu anderen Menschen. Amen.

Verfasser: Pfarrer Martin Kunze, Pfarrstraße 9, 06484 Ditfurt

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