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Viererlei Ackerfeld

von Sigrid Wiefel (99084 Erfurt)

Predigtdatum : 30.01.2005
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Sexagesimae
Textstelle : Markus 4,26-29
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Wochenspruch:

Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht. (Hebräer 3,15)
Psalm: 119,89-91.105.116 (EG 748)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 55, (6-9) 10-12a
Epistel:
Hebräer 4,12-13
Evangelium:
Lukas 8,4-8 (9-15)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 451
Mein erst Gefühl
Wochenlied:
EG 196
oder EG 280
Herr, für dein Wort sei hoch gepreist
Es wolle Gott uns gnädig sein
Predigtlied:
EG 140
Brunn alles Heils
Schlusslied:
EG 451
Mein erst Gefühl

26 Jesus sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft 27 und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst - er weiß nicht wie. 28 Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. 29 Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.

Liebe Gemeinde!
Ist es Ihnen auch schon aufgefallen? – man sieht wieder mehr kleine Kinder.
Auf dem Bürgersteig gehen drei junge Frauen nebeneinander, plaudernd und lachend, und jede schiebt einen Kinderwagen vor sich her. Väter tragen winzige Babys im Arm, ja fast in einer Hand hat das kleine Wesen Platz, und am Spielplatz schaukeln schwangere Frauen ihre Zweijährigen. Ist das nicht eine Freude und ein gutes Zeichen nach der Zeit, in der in manchen Dörfern drei, vier Jahre lang kein Kind geboren wurde? Haben die jungen Leute wieder Mut gefasst, dass die Zukunft besser wird?
Dabei wird doch immer wieder festgestellt, wie resigniert und deprimiert die Stimmung gerade im Osten ist, und die Menschen, die auf der Strasse gegen die Arbeitsmarktreformen protestieren, sind auch vor allem ratlos. Erwartungen und Illusionen der Nachwendejahre haben sich nicht erfüllt, und die Zukunft scheint unsicher und düster. Gegen diese Stimmung sind die kleinen Kinder so etwas wie Luthers Apfelbäumchen, das er noch pflanzen wollte, wenn morgen die Welt unterginge.
Dieser Ton, dieser Geschmack, dieser Geruch von Zuversicht, Gelassenheit, Hoffnung kommt uns entgegen aus Jesu Worten in dem Gleichnis von der selbstwachsenden Saat.
Jetzt, Ende Januar, ist es mit dem Winter noch lange nicht vorbei, aber wir warten doch sehnsüchtig auf das erste Grün, so wie wir meist ungeduldig darauf warten, dass unsere Wünsche erfüllt werden und Erfolge unserer Arbeit sich zeigen. Im Kirchenjahr gehen wir auf die Passionszeit zu und erleben von Sonntag zu Sonntag, wie der Weg Jesu unausweichlich auf das Kreuz zuläuft. Dieser junge Mann von etwa dreißig Jahren – was hätte er noch alles tun können in seinem Leben als Sämann für das Reich Gottes, mit seiner Güte und Hilfe, seiner Wahrheit und Klarheit! Aber ihm bleibt keine Zeit, so will es uns scheinen, zwei Jahre, drei Jahre, keine sechzig Tage von heute. Aber – als hätte er alle Zeit der Welt, so erzählt er uns dieses wunderbare Gleichnis.
Ein Mensch geht aufs Feld und sät, wirft mit den Händen die Samenkörner aufs Land. Nachdem er fertig ist mit der Arbeit, geht er nach Hause und legt sich schlafen, steht wieder auf, geht den alltäglichen Beschäftigungen nach, die unser Leben so ausmachen. Und währenddessen geht die Saat auf dem Feld auf und wächst („automatisch“ heißt es im Griechischen). Ganz von selbst bringt die Erde Frucht.
Um diese Jahreszeit hat Jesus wohl überall die grünen Felder gesehen, denn im Heiligen Land sät man im Herbst, im November oder noch später, wenn es endlich nach langer Trockenheit wieder regnet. Erst wächst der grüne Halm, dann die Ähre, dann reifen die Körner in der Erde. Die Ernte ist da, es gibt wieder Arbeit für den Bauern.
Saat und Ernte, das ist seine Arbeit, die muss er tun, zur richtigen Zeit, mit Sorgfalt und Können.
Der Mensch ist nicht passiv, er tut nicht nichts in diesem Gleichnis, sondern er macht seine Arbeit. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Das, was er nicht kann, versucht er erst gar nicht. Er hilft dem Korn nicht beim Wachsen wie jener Bauer in der chinesischen Fabel, der an den Halmen zieht, damit sie schneller größer werden, und sie so vernichtet.
Im Gleichnis Jesu berührt uns so tröstlich, so hoffnungsvoll, dass es für uns eine Aufgabe gibt, aber die überfordert uns nicht, die hat ein menschliches Maß und einen Rhythmus, der Leben erst möglich macht: Tun und Lassen, Arbeit und Ruhe, Anpacken und Geschehenlassen, Säen und Warten und Ernten.
Jesus spricht vom Reich Gottes mit einem Bild aus dem alltäglichen Leben eines Menschen, der in der Landwirtschaft arbeitet, wie es zu seiner Zeit die meisten Menschen taten. Diesen Rhythmus aber von Tun und Lassen, von Säen, Warten und Ernten gibt es in allen Lebensvollzügen, nicht nur in der Landwirtschaft.
Aber wie und was hat das, unser gewöhnliches, alltägliches Leben mit dem Reich Gottes zu tun, so dass es Jesus als Gleichnis dient für seine Botschaft, sein Evangelium? Müssen wir es nicht so verstehen: es geht nicht um eine große Tat, nicht um unsere Überzeugungskraft, der einfach niemand widerstehen kann, nicht um ein beispielhaftes Opfer, womit wir zum Reich Gottes beitragen sollen?
In Jesu Gleichnis kommt es mindestens so sehr auf das Lassen wie auf das Tun an, beides geschieht aus Glauben, aus Vertrauen, aus Hoffnung. Etwas beginnen, etwas lernen, etwas anstoßen und auf den Weg bringen, so gut wir können, jeden Morgen neu, die Gemeinsamkeit der Familie am Esstisch nach Streit und Missstimmung, das redliche Bemühen, einen schweren Tag zu bewältigen. Die Arbeit mit Sorgfalt erledigen, ohne uns und andere zu überfordern, das ist eigentlich nichts anderes als Geschehenlassen, Raumlassen in der grossen Zuversicht, dass dieser Raum nicht leerbleibt.
Wie bei dem Korn in der Erde lässt Gott auf geheimnisvolle Weise aus kleinen Anfängen, Versuchen und Anstössen Gutes werden und wachsen. Und wir können inzwischen die Hände falten und in den Schoß legen und sagen: Gott sei Dank hängt nicht alles von mir ab, Gott sei Dank geht nicht alles auf, was ich gesät habe, Gott sei Dank ist etwas gewachsen, was ich nicht erwartet und niemals für möglich gehalten habe.
So erleben wir, wie das Reich Gottes wächst mitten unter uns, in unserem gewöhnlichen Leben. Lassen wir ihm Raum und Zeit und verabschieden wir uns getrost von der Illusion, die grossen Macher zu sein, die alles in der Hand haben, alles unter Kontrolle, nichts dem Zufall überlassen, damit nur das herauskommt, was wir geplant haben. Das wäre ganz gewiss nicht das Reich Gottes, nicht einmal das Ziel unserer Wünsche. Damit ist es wohl eher so wie mit dem genetisch manipulierten Mais, bei dem man die Körner, die man erntet, nicht wieder aussäen kann, denn sie sind unfruchtbar. Nach wenigen Jahren brauchen diese Pflanzen viel mehr Schädlingsbekämpfungsmittel als die, die sich in langer Entwicklung an ihre Umgebung angepasst haben. Es kann nicht gut sein, eine Ernte heranwachsen zu lassen die man nicht wieder aussäen kann fürs nächste und übernächste Jahr.
Das Gleichnis Jesu von der selbstwachsenden Saat atmet einen anderen Geist. Einen Geist, der uns erfüllen will mit Hoffnung, die grösser ist als unsere Wünsche und Möglichkeiten. Hoffnung, die Gott zutraut, aus unserem Tun und Lassen Gutes wachsen zu lassen. Amen.

Verfasserin: Pfrn. i. R. Sigrid Wiefel, Glockenquergasse 1, 99084 Erfurt

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