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Vom Zeitpunkt des Endes Mahnung zur Wachsamkeit

von Friederike F. Spengler (99636 Ostramondra)

Predigtdatum : 20.11.2022
Lesereihe : IV
Predigttag im Kirchenjahr : Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Ewigkeitssonntag
Textstelle : Markus 13,28-37
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Wochenspruch: Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen. (Lukas 12,35)

Psalm: 126 (EG 750)

Lesungen

Reihe I: Matthäus 25,1-13
Reihe II: Johannes 21,1-7
Reihe III: Jesaja 65,17-25
Reihe IV: Markus 13,28-37
Reihe V: 2. Petrus 3,(3-7)8-13
Reihe VI: Psalm 126,1-6

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 166 Tut mir auf die schöne Pforte
Wochenlied: EG 147 Wachet auf, ruft uns die Stimme
Predigtlied: EG 152 Wir warten dein, o Gottessohn
Schlusslied: EG 19 O komm, o komm, du Morgenstern

Predigttext: Markus 13,28-37

28 An dem Feigenbaum aber lernt ein Gleichnis: Wenn seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, so wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. 29 Ebenso auch, wenn ihr seht, dass dies geschieht, so wisst, dass er nahe vor der Tür ist. 30 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht. 31 Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. 32 Von jenem Tage aber oder der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.
33 Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. 34 Es ist wie bei einem Menschen, der über Land zog und verließ sein Haus und gab seinen Knechten Vollmacht, einem jeden seine Arbeit, und gebot dem Türhüter, er sollte wachen: 35 So wacht nun; denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob am Abend oder zu Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder am Morgen, 36 damit er euch nicht schlafend finde, wenn er plötzlich kommt. 37 Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!

Vorbemerkung

Wo möglich, sollte das folgende Foto im Postkartenformat vervielfältigt und zu Beginn des Gottesdienstes mit den Gesangbüchern an die Gottesdienstteilnehmerinnen und -teilnehmer ausgeteilt werden (Copyright-Vermerk bitte nicht vergessen). Wenn das nicht möglich ist, sollte es mit Worten beschrieben werden.

Foto des Kirchturms der Antoniuskirche Düsseldorf, © Marlis Traptiz

Predigt

Liebe Gemeinde,

Jesus spricht zu den Seinen. Er tut einen Blick voraus zum Horizont der Zeit: Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Von jenem Tage aber oder der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.
Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.

Eine vergehende Welt. - Seit den Bildern von Vulkanausbrüchen, Taifunen und Monsterwellen, seit den pandemischen Zuständen unter einem Virus, seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine (hier kann noch ein aktueller, eventuell auch gemeindebezogener Anlass eingefügt werden) ist diese Vorstellung für mich nicht mehr so weit weg, sondern ganz real geworden.

Doch nicht nur diese weltweiten Anzeichen machen Menschen Angst. Die Erfahrung, dass Himmel und Erde vergehen, kann in jedes Leben einbrechen. Wenn wir krank werden, wenn ein Angehöriger stirbt, eine Depression sich schwer auf die Seele legt: „Ich bin in ein tiefes Loch gefallen“. „Alle unsere Pläne waren plötzlich zerstört.“ „Ich habe keinen Lebensmut mehr“, sagen wir dann. Eine Welt bricht zusammen. Der Boden unter den Füßen kommt ins Rutschen.

Darüber zu sprechen, hat nichts mit „Weltuntergangsstimmung“ zu tun. Vielmehr sind wir sensibler geworden für das, was global und ganz in unserer Mitte vor sich geht und dem wir uns nicht verschließen möchten. Manche sind ja dazu übergegangen, gar keine Nachrichten mehr zu hören. Ganz nach dem Motto: „Was ich nicht höre und sehe, kommt mir nicht nahe.“ Das mag für eine gewisse Zeit eine Strategie sein und mitunter auch eine heilsame Auszeit zur Stärkung der eigenen Abwehrkräfte bedeuten. Für alle anderen Zeiten halte ich mich lieber an die Worte Jesu.

Die gehörten Verse aus dem Markusevangelium sind Teil der „Reden über die Endzeit“, wie die Lutherbibel jene Kapitel nennt. Jesus ist mit seinen Jüngern auf dem Ölberg. Von dort reicht der Blick bis zum Tempelberg. „Siehst du die großen Bauten? Hier wird nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde“, kündigt Jesus an. Nun fragen die Jünger ihren Meister: „Sag uns, wann wird das geschehen? Was erwartet uns und wie deuten wir die Zeichen richtig?“

Und Jesus antwortet ihnen. Doch seine Antwort erzeugt nicht Angst und Panik, sondern ruft zur Wachsamkeit. Zum Wachsein.

Beide Gleichnisse, die den Predigttext durchziehen – das Gleichnis vom Feigenbaum und jenes vom Hausherrn, der den Knechten Aufgaben für die Zeit seiner Abwesenheit überträgt – haben genau dieses Ziel: Sie wollen wecken. Sensibel machen für das Jetzt.

Ähnlich das Zeichen, das sich am Turm der Antoniuskirche in Düsseldorf findet. [Ihnen ist ein Foto davon ausgeteilt worden …. - wenn das Foto nicht kopiert und ausgeteilt werden konnte, dann hier bitte etwas ausführlicher beschreiben!]

Eine Kirchturmuhr. Doch wer sie sieht, erkennt sofort: keine gewöhnliche, an der lediglich die Zeit abzulesen ist. Statt Ziffern oder Striche sind hier Buchstaben angebracht. Gegen den Uhrzeigersinn lesen wir: „HERR DER ZEIT“. Und dort, wo sonst die 12 steht, findet sich das griechische Symbol für Jesus Christus.

Diese Uhr weckt Aufmerksamkeit. Ihre Botschaft lautet: Christus ist Herr der Zeit. Auch deiner Zeit. Erwarte sein Kommen. Wache!

Jesus erwartet von uns, dass wir wach sind. Das Gegenbild dazu wäre eine schlafende Gemeinde. So wie die Jünger im Garten Gethsemane. Als Jesus vor seinem schweren Leidensweg voller Angst betet: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod. Wenn`s sein kann, Vater, dann lass diesen Kelch an mir vorübergehen.“, findet er die Jünger schlafend. „Simon, was schläfst du?“, fragt Jesus. „Kannst du nicht mal eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Versuchung fallt!“ (Mk 14,37f).

Aber - ist nicht der Schlaf auch eine Gabe Gottes?
Natürlich: Schlaf ist eine gute und notwendige Sache. Im Schlaf schöpfen wir neue Kraft. In unseren Träumen verarbeiten wir die Erfahrungen und Eindrücke des Tages.
Aber, und darauf kommt es an, im Schlaf bleiben wir allein. Alle Aufrufe, alle Aufforderungen Jesu, wach zu sein, stehen jedoch im Plural. Denn wach zu sein heißt, Gemeinschaft zu leben. Ja, die Gemeinde Gottes lebt geradezu von der Wachheit in der Welt. Weil andere wachen, finden auch die Müden ihren Schlaf, können die Kranken getrost einnicken und die Traurigen endlich mal ein Auge zumachen. Das alles ist möglich, weil die Wachheit miteinander geteilt wird.

Wachsein ist eine gemeinsame Haltung. Diese Haltung zeigt sich in der Gemeinde Gottes im Glauben und in der Hoffnung. „Eine Gemeinde, die ihren Glauben und ihre Hoffnung durch irgendetwas anderes – und seien es noch so respektable Werte – ersetzt, ist eine schlafende Gemeinde.“[1] „Die Wachenden aber haben eine gemeinsame Welt. Deshalb gönnt dieses Gleichnis der Kirche keinen Schlaf. Die Kirche ist eben kein Individuum, sondern diejenige Gemeinschaft, in der die Welt gemeinsam verarbeitet wird. Und zwar nicht nur eine Gemeinschaft von Menschen, sondern eine menschliche Gemeinschaft mit Gott, in der Gott und Mensch gemeinsam unsere mehr unmenschliche als menschliche Welt verarbeiten.“[2]

Wie verarbeiten wir diese mehr unmenschliche als menschliche Welt? Indem wir als Gemeinde Gottes zu Hause sind, wenn unser Herr kommt. Und in dieser Erwartung ganz im Hier und Jetzt leben. Bereit, das zu tun, was andere von uns brauchen. Jeder und jede an seiner Stelle. Jeder bringt das ein, was ihm oder ihr anvertraut ist. Jede füllt seinen Platz aus und ist Teil einer wachen Gemeinschaft.

Wer wach ist, lebt nicht rückwärtsgewandt, nicht der Zukunft vorauseilend, sondern gegenwärtig. Die Gegenwart ist die verantwortungsvolle Stunde Gottes mit uns. Es gibt in der Weltgeschichte immer nur eine wirklich bedeutsame Stunde: die Gegenwart.

Seid wach! Richtet euch nicht ein in euren Häusern, schließt euch nicht ab! Wisst um die Vorläufigkeit aller Dinge!

Wir sind doch ein Leben lang auf der Suche nach einem Haus, einem Ort, an dem wir zu uns selber finden. Vor allem aber nach einem Haus, in dem wir gefunden werden.

So verstehen die Juden auch den Friedhof, das Grab als „Haus der Ewigkeit“. Als Ort, wo wir den Körper eines Menschen zur letzten Ruhe betten und gleichzeitig darauf vertrauen, dass diese Person jetzt mit Gott unter einem Dach wohnt. 

„‘Wo wohnt Gott?‘ Mit dieser Frage überraschte einst ein jüdischer Gelehrter seine Gäste. Diese lachten über ihn: ‚Wie redest du! Ist nicht die Welt seiner Herrlichkeit voll?‘  Der Gelehrte aber beantwortet die eigene Frage: ‚Gott wohnt, wo man ihn einlässt.‘“[3]

Auch fragte man einst Rabbi Pinchas: ‚Warum wird Gott ‚Ort‘ genannt? Freilich ist er der Ort der Welt; aber dann müsste man ihn so nennen und nicht ‚Ort‘ schlechthin?‘ Der Rabbi antwortete: ‚Der Mensch soll in Gott hineingehen, dass Gott ihn umgebe und sein Ort werde.‘“[4]

Gott wohnt, wo man ihn einlässt. Dort baut er sein Haus des Lebens. Und ist selbst das Haus, dass uns umgibt und leben lässt. In diesem Haus sind wir nicht nur mit denen versammelt, die heute mit uns leben. Auch die, die vor uns waren, leben hier. Und die, die nach uns kommen, werden ebenso willkommen geheißen.

Diese Gemeinschaft ist ein Haus, das über den Augenblick hinausreicht. Hier leben Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Lebende und Tote miteinander. Hier leidet man mit, wenn einer leidet. Und freut sich mit, wenn eine sich freut. Hier erwartet man Genesung für den Kranken und nimmt die Trauernde wortlos-warmherzig in den Arm. Hier geht man gemeinsam zum Tisch des Herrn, lässt sich das Brot des Lebens schmecken und nimmt vom Kelch des Heils einen guten Schluck. Und wenn der Hausherr kommt, wird er dieses Haus belebt finden, aufeinander bedacht und wach für sein Kommen.

Maranatha – ja, komm Herr Jesus! Uns entgegen. Wir warten auf dich. Amen

Tagesgebet

Ewiger Gott,
auch wenn Himmel und Erde vergehen, so bist du doch unsere Hoffnung und Freude, unsere Stärke, unser Licht.
Führe uns den Weg ins Leben und lass uns auf das schauen, was bleibt. Dir sei Ehre in Ewigkeit. Amen.

Fürbittengebet

Ewiger Gott,
vor aller Zeit und in jedem Augenblick bist du gegenwärtig.
Auch da, wo wir dich nicht erkennen.
So kommen wir zu dir mit unserem Gebet.   

Gott, wir bitten dich
für alle, die Abschied nehmen mussten,
deren Heimat zerstört wurde,
die den Boden unter den Füßen verloren haben.
Wir rufen: Kyrie eleison (EG 178.12)

Gott, wir bitten dich
für alle, denen der Tod vor Augen steht,
für die Menschen, die von uns gegangen sind und die wir schmerzlich vermissen,
für alle, die heute mit Tränen an den Gräbern stehen und für die, die nicht weinen können.
Wir rufen: Kyrie eleison (EG 178.12)

Gott, wir danken dir
für alle, die auf Dich warten,
die Dein Kommen ersehnen in Freude und Trauer.
Wir wollen die Sehnsucht unter uns wachhalten,
zu warten auf den Tag Deines Kommens. Dann wird alles gut.
Wir rufen: Kyrie eleison (EG 178.12)

Ewiger, vor aller Zeit und in jedem Augenblick bist du gegenwärtig. Wenn alles vergeht, so bleibst du doch, unser Gott - und wir in dir. Amen.

Verfasserin: Regionalbischöfin Dr. Friederike F. Spengler, 99084 Erfurt

_______________
Anmerkungen:

[1] Eberhard Jüngel, Lukas 12, 35-37, Predigten 2. Geistesgegenwart, Stuttgart 2003, 72-80, 77.
[2] Ebd.
[3] Martin Buber, Werke Bd. III, München 1963, 664.
[4] A.a.O., 242.


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