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Warten auf den Herrn und seinen Tag

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 10.11.2019
Lesereihe : I
Predigttag im Kirchenjahr : Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : Lukas 6,27-38
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Wochenspruch: Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils! (2. Korinther 6,2)

Psalm: 85,9-14

Predigtreihen

Reihe I: Lukas 6,27-38
Reihe II: 1. Thessalonicher 5,1-6(7-11)
Reihe III: Psalm 85,1-14
Reihe IV: Lukas 17,20-24(25-30)
Reihe V: Römer 8,18-25
Reihe VI: Micha 4,1-5(7b)

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 165, 1,7,8 Gott ist gegenwärtig
Wochenlied: EG 152 Wir warten dein, o Gottes Sohn
Predigtlied: EG 632 Wenn das Brot, das wir teilen
Schlusslied: EG 562 Segne und behüte uns

Predigttext Lukas 6, 27 - 38

Von der Feindesliebe

27 Aber ich sage euch, die ihr zuhört: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen;
28 segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen.

29 Und wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete die andere auch dar; und wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht.
30 Wer dich bittet, dem gib; und wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück.
31 Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!
32 Und wenn ihr liebt, die euch lieben, welchen Dank habt ihr davon? Denn auch die Sünder lieben, die ihnen Liebe erweisen.
33 Und wenn ihr euren Wohltätern wohltut, welchen Dank habt ihr davon? Das tun die Sünder auch.
34 Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr etwas zu bekommen hofft, welchen Dank habt ihr davon? Auch Sünder leihen Sündern, damit sie das Gleiche zurückbekommen.
35 Vielmehr liebt eure Feinde und tut Gutes und leiht, ohne etwas dafür zu erhoffen. So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Höchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.

Vom Umgang mit dem Nächsten

36 Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.
37 Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.

38 Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch zumessen.

Predigt

Es gibt bequemere Worte! Solche, die uns besser gefallen,  weil sie uns ein wenig streicheln. Die Worte, auf die wir heute hören, fordern uns heraus. Sie verlangen ja von uns Handeln. Handeln, das in Konflikt gerät mit dem Selbsterhaltungstrieb und dem Selbstbehauptungswillen.

Eine Frage: Haben Sie so etwas wie einen Lieblingsfeind? Einen, bei dem Sie auf die andere Straßenseite wechseln, interessiert in das Schaufenster schauen, das Sie im Grunde überhaupt nicht interessiert? Kennen Sie so jemand, von dem Sie bei einer Einladung sagen: wenn der kommt, komme ich nicht. Oder von dem/der Sie denken: mit dem/der zusammen zum Abendmahl - nie und nimmer. 

Und wie ist das mit Oma Meier? Oma Meier nervt. Weil sie jeden dritten Tag anruft; könntest du nicht … Ich bräuchte einen, der mich fährt. Hast du nicht Zeit? Und dann ist da der Nachbar, der immer kommt: Habt ihr noch zwei Eier – und Sie wissen ganz genau: diese Eier sehen wir nie wieder und es kommen auch keine anderen zurück. Wir kommen auf Oma Meier – und auf den Nachbarn mit den Eiern später zurück.

Das sind genau die Leute, um die es heute geht. Nach unserer Einstellung zu ihnen ist gefragt. Nach unserem Umgang mit ihnen. 

Fangen wir also vorsichtig an:

So fängt es an: Nicht zurückschlagen. Nicht auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Wie du mir … Wir sind nicht mehr in der Situation: dass wir zurückschlagen, weil uns einer schlägt. Höchstens beim Fußball: „Man sieht sich immer zweimal“ ist die verhaltene Drohung, nachdem man einmal getreten worden ist. Aber sonst?

Gewalt als Lösungsweg in nachbarschaftlichen Auseinandersetzungen ist eher verpönt. Obwohl ich manchmal denke: Zurückschlagen geht ja auch anderes: durch Anwälte, durch die Drohung mit Prozessen. Durch den Einsatz des eigenen Einflusses, durch Verweigern von Bitten, weil der sich so blöd verhalten hat.

In den USA hat ein Hausbesitzer einen 16-Jährigen erschossen, der in seiner Garage herum gestöbert hat. So weit gehen wir nicht. Aber schon so weit: „Wenn ich den erwische, der das gemacht hat, der kann was erleben.“ Und wir können damit rechnen, dass uns gute Freunde beipflichten: Man muss den Anfängen wehren. Wenn man rechtzeitig eingreift, verhindert man Schlimmeres. Man muss dafür sorgen, dass es wieder Respekt gibt vor fremdem Eigentum. Dass Leute wissen, sie kriegen eins auf die Finger, wenn ...   

Und so landen wir bei der Frage: wie halten wir es mit der Verteidigung unserer Rechte? Unseres Rechtes? Unseres Besitzes?

All diesen Worten und der Haltung dahinter stellt Jesus sein Wort entgegen. Und provoziert damit doch Widerspruch. „Tut wohl denen, die euch hassen.“ Jesus redet hier seltsam persönlich zugespitzt. Fast so, als würde er sagen: Das Programm, um die Welt zu verbessern, um das Reich Gottes aufleuchten zu lassen, hier und jetzt – das liegt in deiner eigenen Lebensumgebung. Du bist es, der Zeichen setzten kann – nicht weit weg, sondern in deinem Leben. Das ist ebenso einfach wie ernüchtern und schwer: Fang bei dir an.

Aber, so höre ich, auch bei mir selbst: Wer so handelt, wird ausgenützt, kommt unter die Räder. Wer dem Bösen nicht Paroli bietet, nicht widersteht, der fördert es, der lässt ihm freien Lauf. Wir haben doch auch gelernt: Man muss dem Rad in die Speichen fallen, wenn das Rad dabei ist, jemand zu überrollen.

Das kann doch nicht ernst gemeint sein: Die andere Backe hinhalten. Gleich alles hergeben, wenn einer bittet, sogar den kostbaren Mantel, Schutz vor der Hitze des Tages und der Kälte der Nacht. Alle Wünsche erfüllen. Nichts zurückfordern. Wer so handelt, der ist doch am Ende der Dumme. Da kommen alle Hungerleider von weither und nisten sich bei uns ein - weil sie wissen, da ist nur schrankenloses Gutmenschentum, kein Maß, kein eigenes Recht. 

Jetzt geht es aber noch weiter – und endlich um Ihren Lieblingsfeind. „Liebt eure Feinde.“ Nicht nur die Freunde. Nicht nur die Nachbarn. Nicht nur die Kameraden in der Clique, im CVJM, im Sportverein. Nicht nur die Parteigenossen. Nicht nur die eigenen Gemeindeglieder. Ich übertrage das große Wort „lieben“: Lasst euch in Anspruch nehmen durch die, die euch fremd sind. Die euch als Fremde Feind sind.

Hinter diesen Wort Jesu taucht die Erfahrung der Gemeinde auf, für die Lukas sein Evangelium schreibt. Sie erlebt Verfolgung. Sie erlebt Feindseligkeit. Sie erlebt Ausgrenzung. Es ist die Herausforderung an diese Gemeinde, Verfolgung und Feindschaft nicht durch Hass zu beantworten, sondern durch Liebe.

Dabei fällt mir auf: Es gibt nicht die Spur einer Begründung für diese Forderung Jesu. Keine Erklärung, dass man so die Feinde durch Liebe überwinden könnte. Jesus stellt seine Zuhörer damals und uns heute mit seinen Worten vor die Frage, ob sie in der gewohnten Spirale von Gewalt und Gegengewalt verbleiben wollen, oder ob sie das Risiko auf sich nehmen, durch den Verzicht auf Gewalt einen anderen Weg zu finden, vielleicht auch unter die Räder zu kommen, aber jedenfalls selbst nicht zur Gewalt zu greifen.

Das also ist die Frage, mit der wir es heute zu tun bekommen: Will ich so leben? Kann ich so leben, mit diesem Verzicht auf Recht und Macht und Gewalt? Nicht, weil es vernünftiger wäre, sondern weil er mich dazu herausfordert, er, Jesus.

Und: weil wir dann so leben, dass wir bleiben in dem, was unsere ureigene Berufung ist: „Kinder des Höchsten sein.“ Darum geht es: In der Begegnung mit denen, die schaden können und oft genug schädigen, die lästig sind, die uns fremd und feind sind, durchzuhalten, was Gottes Wesen ist: zu lieben, wo nichts Liebenswertes zu sehen ist.

Das ist die Begründung, die Jesus für seine Worte liefert: Die Christen sollen in ihrem Tun dem Tun Gottes entsprechen. Sie sollen ihn in seiner schrankenlose Güte und seinem unerschöpflichen Erbarmen nachmachen. Sein Abbild werden. So wie es im Schöpfungsbericht anklingt: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.“ Gott fragt doch auch nicht danach, in seinen Wohltaten – der Sonne und dem Regen, ob wir es verdient haben, ob wir seiner würdig sind. Er schenkt. So gilt es, einander zu begegnen.   

Das Seltsame an diesen Worten ist ja, dass sie nicht Gleichgültigkeit fordern und fördern, sondern im Gegenteil: Dass Gott so unterschiedslos handelt, fordert uns zu entschieden unterschiedenem Handeln auf – nicht wie es normal ist: Feind dem Feind, Freund dem Freund, Nahe dem Nahen und abgewandt von dem Fremden, sondern gerade umgekehrt; zugewandt, solidarisch, Brücken schlagen, Grenzen überwinden. Geben, wo nichts zu erwarten ist. Gutes tun, wo vielleicht nichts zurückkommt.

Jetzt landen wir noch einmal bei Oma Meier und dem Nachbarn, der sich immer Eier leiht. Oder Zucker. Jesus sagt: Keine Rechnung auf Gegenseitigkeit. Nicht damit kalkulieren: Es wird sich lohnen. Rechnen. Irgendwann.

So geht man ja manchmal miteinander um: Wie du in den Wald rufst, so schallt es heraus. Jede Einladung führt zur Gegen-Einladung, jedes Geschenk findet seine Antwort in einem erwidernden Geschenk. Das ist so eine Art Pflicht. So geht es in der Welt zu.

Und wenn wir Oma Meier helfen, vielleicht passt sie ja dann einmal auf unsere Kinder auf? Oder der Nachbar – wir brauchen ja auch einmal etwas. Nein, sagt Jesus. Nichts zurück erwarten. Nicht kalkulieren. Nicht darauf rechnen, dass mein Gutes ein Echo finden wird. 

Noch einmal: Gott prüft doch auch nicht vorher: Sind sie es wert? Werden sie denn so antworten, wie ich es mir vorstelle. Gott geht voll ins Risiko mit seinem Erbarmen. Gott rechnet nicht, weil das Erbarmen nicht rechnet. Und die Liebe auch nicht.

Es gibt ja bei vielen die Sehnsucht nach einer besseren Welt. Und alle ahnen, dass sich ganz viel ändern müsste, damit die Welt ein besserer Platz für alle wird. Sollen doch die anderen anfangen mit dem Ändern. Oder: wenn ich die Macht hätte, ich wüsste schon, was ich alles ändere. Ich wüsste auch, wenn ich alles ändere. 

Das Problem: Der einzige Mensch, bei dem, an dem ich – vielleicht – etwas ändern kann, bin ich selbst. Ich kann barmherzig werden mit mir und meinesgleichen. Ich kann aufhören, andere abzuurteilen. Ich kann ein Ende machen mit den Urteilen, gegen die es keine Berufung gibt. Ich kann vergeben, auch wo es mir bitter schwer ist, aufhören, nachtragend zu sein. Das alles kann ich als einer, der es nicht „kann“, der oft genug genau darin scheitert. Und doch gibt es keine Alternative zu diesem bei sich selbst anfangen, kehren vor der eigenen Haustür.

Es ist ein Schritt auf dem Weg zum vollkommenen Leben, sich so zu anderen zu stellen. Voller Erbarmen. Über alle Grenzen hinweg. Alle Feindschaften hinweg. Alle Fremdheiten hinweg. Weil Gott genau so handelt – nicht zuletzt darin, dass er Mensch wird.

Merkwürdig, das zum Maßstab des Handelns zu machen. Zu versprechen: wer so lebt, so denkt und handelt, der wird erfahren: es lohnt sich. Es zahlt sich aus - spätestens im Himmel, bei Gott. Wo die Liebe alle und alles umgreift, da ist die Welt ans Ziel gekommen. „Da ist Gott alles in allem.“ Das lohnt sich wirklich.

Verfasser: Pfarrer Paul-Ulrich Lenz, Am Litzenau 17, 63679 Schotten


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