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Was ist das eigentlich – Leben?

von Christian Kurzke (Kraftsdorf)

Predigtdatum : 15.03.2015
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Okuli
Textstelle : Johannes 12,20-26
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Wochenspruch:

"Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber er-stirbt, bringt es viel Frucht." (Johannes 12, 24)

Psalm:

84, 6 - 13

Lesungen

Altes Testament: Jesaja 54, 7 - 10

Epistel: 2. Korinther 1, 3 - 7

Evangelium: Johannes 12, 20 - 26

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 408 Meinem Gott gehört die Welt

Wochenlied: EG 396 Jesu, meine Freude

Predigtlied: EG 98, 1 - 3 Korn, das in die Erde

Schlusslied: EG 370, 11 + 12 Warum sollt ich mich denn grämen

Vorbemerkung

Im Gleichnis vom Weizenkorn geht es am Sonntag Laetare, dem kleinen Ostersonntag mitten in der Passionszeit, ums Ganze: um Tod oder Leben. Jesus hat erkannt, dass das Muss seines Sterbens Voraussetzung für neues Leben ist. Dass durch den Tod eines Menschen andere einen ver-änderten und tieferen Zugang zu dem, was Leben über-haupt bedeutet, bekommen, wird thematisiert.

Der Predigttext wird als Evangelium mit dem Hinweis, dass er zugleich Predigttext ist verlesen.

Predigt

Liebe Gemeinde,

dieses Leben ist voller Wunder. Wie kann aus der ver-schrumpelten Blumenzwiebel eine so schöne Osterglocke werden? Wie kann aus einer Staude, die im Winter sicher im Haus stand und fast wie Tod aussieht, dennoch neues Leben und Grün kommen, sobald man sie hinaus ins Licht stellt? Wie kann es passieren, dass in wenigen Wochen, die jetzt noch so kahle Linde in unserem Hof bald ein dichtes Blät-terdach hat? Wie können aus einem einzigen Weizenkorn so viele Weizenkörner entstehen, die dann viele satt machen können?

Eigentlich wissen wir ja, wie das alles vor sich geht. Wir ha-ben dem Samenkorn längst sein Rätsel entrissen. Wir haben sogar gelernt, es zu manipulieren, um noch mehr Körner zu gewinnen und mögliche Gefahren während des Wachstums abzuwehren. Aber ein Geheimnis bleibt es immer noch. Ein Geheimnis, das jetzt wieder entdeckt werden kann. Wir ahnen, dass diese neuen Anfänge auch eine Verheißung für uns bergen: neues Leben ist dort, wo jetzt noch etwas wie tot scheint, so brach liegt, so am Ende ist. Das ist nicht nur der Blick in die aufwachende Natur im Frühling, sondern auch der Blick des Glaubens über diese Passionszeit hinaus auf den Ostermorgen und auch auf unser Leben und Ster-ben.

Mit dem Sterben rang auch Kurt Peipe . Diagnose Krebs, unheilbar. Bei aller Traurigkeit schärfte diese Diagnose nochmals seinen Blick auf sein Leben. Er wollte es anfassen, anpacken, noch mal was Großartiges machen. Er stand auf, er stand auf gegen den Tod. Seine Geschichte ist berührend und traurig. Sogar das mit dem Sterben stimmt. Und doch entsteht trotz allem Traurigen aus seiner Geschichte etwas Gutes, etwas, das hoffnungsvoll stimmt.

Kurt Peipe ist 62, als er von seinem Arzt mitgeteilt be-kommt, dass er Darmkrebs hat - und nicht mehr lange zu leben hat. Er hat gerade seinen Ruhestand angetreten. Er hat eine Frau und drei Töchter, die längst erwachsen sind. Als Kurt Peipe klar wird, wie krank er ist, beschließt er, sich noch einen Lebenstraum zu erfüllen, für den er vorher nie Zeit hatte. Schon immer wollte er, wenn der Ruhestand dann da ist, mit seiner Frau zusammen auf dem Fernwan-derweg E 1 von der dänischen Grenze nach Rom wandern, in kleinen Abschnitten. Jetzt hat er vielleicht nicht mehr viel Zeit und möchte den Weg darum in einer einzigen Tour be-wältigen. Die Strecke folgt dem ältesten Pilgerweg nach Rom. Die Ärzte raten ihm ab; seine Frau schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, groß ist ihre Angst und ja auch berechtigt um ihren schwer kranken Mann. Eines Abends im März packt Kurt Peipe seine Sachen. Er nimmt den Nacht-zug Richtung Norden. Am 30. März um halb sechs steht er mutterseelenallein auf dem Bahnsteig und ihm wird klar: Jetzt wird es ernst. 3350 Kilometer Pilgerweg liegen vor ihm.

Die erste Zeit ist hart. Kurt Peipe ist untrainiert, und er ist krank. Sein Körper rebelliert. Das Gepäck ist schwer, das Atmen macht ihm Mühe, er hat stechende Schmerzen in Hüfte und Knien, an den Händen entstehen blutige Blasen von den Pilgerstöcken. Aber aufgeben will er nicht. Nach ein paar schwierigen Wochen hat sein Körper sich an die Zu-mutungen gewöhnt. Auf seinem Weg ereignet sich immer wieder Wunderbares. Er erlebt kleine und große Wunder. So war es halt, sagt er.

Zum einen entdeckt Kurt Peipe auf seiner Wanderung ganz neue Seiten an sich selbst. Er entdeckt neben sich einen „zweiten Peipe“, einen leichten und durchsichtigen Gesellen, der immer öfter an seiner Seite erscheint und in dessen Haut er mehr und mehr schlüpft. Im Rückblick auf seine Reise sagt Peipe, er habe mehr über sich und andere ge-lernt und erfahren als jemals zuvor in seinem Leben. Er entdeckt, dass er ein guter Zuhörer ist. Und immer wieder kreuzen Menschen seinen Weg, die einen guten Zuhörer brauchen, als hätten sie gerade auf ihn, Kurt Peipe, ge-wartet. Er war nicht nur nach Rom unterwegs, sondern auch zu sich und zu anderen Menschen, stellt er am Ende seines Weges fest.

Zweitens entdeckt Kurt Peipe die Freundlichkeit der Men-schen. Fast täglich hat er an eine Tür geklopft und um etwas gebeten, etwa die Erlaubnis, im Garten zelten zu dür-fen. Und immer wieder wurde ihm aufgetan, als solle sich an ihm die biblische Verheißung erfüllen. Mitten im angeb-lich so selbstsüchtigen Europa erlebte er eine Gastfreund-schaft, die er so nicht erwartet hätte. Wenn er um ein Glas Wasser bat, bekam er oft eine ganze Mahlzeit serviert. Wenn er um einen Platz zum Zelten bat, bekam er ein Bett im Gästezimmer angeboten. Die Welt und die Menschen in ihr sind viel besser, als es dargestellt wird, bemerkt Kurt Peipe. Wir trauen uns die Freundlichkeit nur oft nicht.

Kurt Peipe entdeckt zum Dritten, was Bewahrung ist. Auf der langen Wanderung hat sich so oft alles zum Guten ge-wendet, dass er nicht mehr an Zufälle glaubt. Zu oft kam Hilfe, wo er sie gerade brauchte, bei Gewittern und Stür-men, in brenzligen Situationen, auch dann, wenn er Hunger und Durst litt. In Kurt Peipe wächst die Erkenntnis, dass er behütet und geliebt ist und dass einer Acht auf ihn gibt. Und dafür dankt er Gott in seinen Gebeten.

Je länger er unterwegs ist, umso mehr Menschen erfahren von seinem Pilgerweg und seinen Erlebnissen. Kurt Peipe merkt, dass er etwas zu sagen hat und dass er es sagen muss. Als er wieder zu Hause ist, geht die Reise, der geistige Teil von ihr, weiter. Er nimmt das Angebot an, ein Buch über seine Erlebnisse zu schreiben. Das Buch will er unbedingt noch fertig bekommen und so Menschen Mut machen, die so krank sind wie er selbst. Am Tag als dieses Buch erschien, ist Kurt Peipe gestorben.

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ Der Tod und großes Leiden werden kommen, das ist sicher, so spürten es Jesus im Gleichnis und auch Kurt Piepe in seinem Leben. Aber beide machen eine ganz besondere Er-fahrung mit der Macht des Todes. Eigentlich ist die Ge-schichte von Kurt Peipe eine Ostergeschichte unserer Tage mitten in der Passionszeit. Was Auferstehung ist, dieser nur schwer zu erklärende theologische Kern unseres Glaubens und welche Folgen sie hat für einen selbst, der unterwegs ist, wie für Menschen, die ihm begegneten und viele nach ihm, die von seiner Geschichte hören, davon erzählt Kurt Peipe. Kurt Peipe erzählt eine Weggeschichte, wohl die ein-zige Möglichkeit so berührend über die Kraft der Aufer-stehung im Angesicht von Tod und Leid zu reden und sich von ihr verändern zu lassen, so wie es am Ostermorgen die Emmausjünger (LK 24) ergriffen hat.

Das eine Weizenkorn Jesu, hat viele Körner des Lebens her-vorgebracht. Kurt Peipe ist nur eins davon. Er hat mit seiner Geschichte den Lebenshunger von so vielen satt gemacht und dem totbringenden Sich-Selber-Aufgeben eine deutliche Absage erteilt. Er hat seine Auferstehungsgeschichte aufge-schrieben, damit sie Anderen, die wie er mit totbringenden Diagnosen leben müssen, den Lebensmut, die Hoffnung, sich selbst nicht verlieren, genommen werden kann. Amen.

Vorschlag: Lied einspielen: Gerhard Schöne, Irgendwann (Titel Nr. 18 auf der CD: Die sieben Gaben)

Vorschlag

für ein entfalteten Kyrieruf mit EG 178.12

oder Bausteine für Fürbitten

Herr wir bitten dich um dein Erbarmen,

Fülle Du mir die Hände mit Samenkörnern,

Samenkörner aus Liebe,

die Spuren hinterlassen und ein Leuchten

im Leben derer, die mir anvertraut sind,

Gemeinsam rufen wir zu dir:

Herr wir bitten um dein Erbarmen

Schenke uns Samenkörner voll Hoffnung,

damit die kleinen Anfänge eine Chance haben

und etwas Gutes und Großes in uns entsteht

Gemeinsam rufen wir:

Herr wir bitten um dein Erbarmen

Pflanz in uns Samenkörner aus Mitgefühl,

aus denen Brot wird, das satt macht,

andere und auch mich selbst.

Gemeinsam rufen wir:

Herr wir bitten um dein Erbarmen:

Fülle unsere Hände, du Gott des Lebens

mit Samenkörnern, die unscheinbar sind

und doch Träume wachsen lassen

und Liebe und Wärme und Brot.

Fülle unsere Hände, Gott, denn schau: sie sind leer.

Verfasser: Pfarrer Christian Kurzke

Rüdersdorf Nr. 30, 07586 Kraftsdorf


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