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Weltgericht

von Gerd Hinke (39638 Letzlingen)

Predigtdatum : 17.11.2002
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : 2. Korinther 5,1-10
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Wochenspruch:

Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.(2. Kor. 5,10)

Psalm: 50,1.4-6.14-15.23

Lesungen

Altes Testament:
Jeremia 8,4-7
Epistel:
Römer 8,18-23 (24-25)
Evangelium:
Matthäus 25,31-46

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 152
Wir warten dein o Gottes Sohn
Wochenlied:
EG 149
Es ist gewisslich an der Zeit
Predigtlied:
EG 388
O Durchbrecher aller Bande
Schlusslied:
EG 414
Lass mich o Herr in allen Dingen

Vorüberlegungen:
Paulus bietet eine Fülle von Bildern, die Hoffnung wecken. Es geht um das bleibende Sein, das zukünftige Haus bei Gott. Daraus wird bei Paulus keine Weltflucht, sondern unter Hinweis auf den Geist Gottes die Zeit des Glaubens, die von der Zeit des Schauens abgelöst wird.
Das Bild vom Richterstuhl Christi unterstreicht, dass das Tun nicht beliebig und ohne Folgen ist, wenngleich das unanfechtbare Grundsatzurteil Gottes in der Annahme des schuldigen Menschen durch den Tod und die Auferstehung Jesu gesprochen ist.
Der Hinweis auf den Volkstrauertag sollte nicht fehlen, es gibt noch Betroffene unter den Gemeindegliedern, eine neue Dringlichkeit stellt sich durch die ersten Todesopfer des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan (März 2002).

Liebe Gemeinde,
ich lese uns den Predigttext für den heutigen vorletzten Sonntag des Kirchenjahres aus dem 2. Korintherbrief im 5. Kapitel. Der Apostel Paulus schreibt:
1 Wir wissen: wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. 2 Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden, 3 weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden. 4 Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben. 5 Der uns aber dazu bereitet hat, das ist Gott, der uns als Unterpfand den Geist gegeben hat. 6 So sind wir denn allezeit getrost und wissen: solange wir im Leibe wohnen, weilen wir fern von dem Herrn; 7 denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. 8 Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn. 9 Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm wohlgefallen. 10 Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse.
Liebe Gemeinde,
jetzt ist die schwere Zeit wieder da, mit den Gedanken um Abschied-Nehmen, um Trauer und Tod. Der Gang zum Friedhof steht an, der meist graue November legt sich aufs Gemüt und heute am Volkstrauertag denken wir an die Opfer der beiden Kriege.
Erschreckend die hohe Zahl der toten Soldaten, aber noch mehr die immens gestiegene Zahl der Opfer in der Zivilbevölkerung, der Opfer des Naziterrors und die Zahl derer, die ohne Heimat waren. Erinnerungen werden für manchen wach, Erinnerungen an Menschen, deren Lebensweg durch den Krieg abgeschnitten wurde, Erinnerungen an Lebensträume, die einfach nicht mehr sein konnten. Erinnerungen an schwere Zeiten, die lange zurückliegen, aber die für viele nicht vergessen sind und die für die Jüngeren aus den Erzählungen der Großelterngeneration eine besondere Deutlichkeit erhalten haben.
Die Situation der Welt heute ringt uns ein tiefes Seufzen ab. Wir fragen, warum gibt es soviel Konflikte, soviel Blutvergießen, soviel Unfrieden, soviel Streit und Neid in der großen Welt und in unserer nächsten Umgebung. Das Seufzen beinhaltet ein Nichtverstehen-Können und es hat zugleich ein anderes Bild vor Augen: Die Sehnsucht nach einem gelingenden, heilem Leben, wo jedes Menschenleben zählt, und wo die Macht des Todes gebrochen ist.
Der Apostel Paulus spricht im heutigen Predigttext in Bildern zu uns, weil er der Kraft seiner Bilder zutraut, dass sie uns neue Horizonte eröffnen. Wenn wir jetzt oft nur die Mauer der Schwierigkeiten und des Todes sehen, dann will uns Paulus einladen, einen Blick über die Mauer zu werfen und in das weite Land von Gottes Zukunft zu blicken.
Unser Leben ist wie ein Haus, sagt Paulus, wie ein Zelt, das nur für kurze Zeit steht. Martin Luther übersetzt es als Hütte. Zelt und Hütte - da können wir als moderne Menschen gut an Zelten, Freizeit, und Gartenhütte im Grünen denken.
Wer denkt nicht gerne zurück an gelungene Urlaubstage, schöne Stunden im Grünen, an Ausflüge und Fahrten mit den Kindern oder den Enkeln.
Trotz mancher Seufzer darf und soll die Zeit, die wir jetzt erleben unsere Zeit aus Gottes Hand sein, denn Gott gab uns als Unterpfand seinen Geist. Mit der Kraft, die von ihm ausgeht kommt die Energie für das Leben hier.
Und doch ist die Zeit im irdischen Haus nicht unbegrenzt, auch die Urlaubszeit hat wieder ein Ende, der Sommer im Grünen muss den Herbststürmen weichen.
Eine Ahnung von der Begrenzung des Lebens nimmt Gestalt an, die Tage im November werfen ihre kurzen Schatten. Ist unser Leben wie ein Haus, so wissen wir, dass wir in ihm nicht bleiben können, der Mietvertrag kennt ein Kündigungsdatum.
Damit verbindet sich die Angst um die Zukunft: Was wird, wenn die Hütte zerfällt? Wo bleibe ich, wo finde ich Halt und Geborgenheit?
Nicht nur der älter werdende Mensch entwickelt ein Gespür für solche Fragen, manch junger Mensch wurde schon durch einen plötzlichen Todesfall in der scheinbaren Sicherheit des „Mir kann doch nichts passieren“ erschüttert und dann zur Auseinandersetzung um sein Leben, seinen Tod und das Leben nach dem Tod genötigt.
Von Paulus können wir an dieser Stelle lernen, er verbreitet Gelassenheit, weil für ihn klar ist: Wenn die Zeit der irdischen Hütte abgelaufen ist, dann ziehen wir um in ein Haus, „von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.“
Es ist gut zu wissen: Nach diesem Leben werden wir erwartet, es wird wieder ein Haus geben, Jesus sagt: In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.
Mit dem Bild des Hauses und der Zusage, dass Gott uns in der Taufe seinen Geist gegeben hat, beginnt die Zukunft. Mit dem Bild vom Haus gelangen wir von der Gegenwart in die Zukunft, der Blick über die Mauer gelingt, der Horizont von Gottes Reich öffnet sich.
Aber es bleibt noch die Grenze zwischen dem „Jetzt“ und dem „Einst“. Der Auszug aus dem alten Haus geht nicht so ohne weiteres, schließlich haben wir uns eingerichtet in der „alten Hütte“, und viele Menschen und Erinnerungen sind uns lieb und wert geworden.
Wo der Schmerz um die Trennung und das Abschiednehmen die Augen mit Tränen füllt, bleibt der Blick für die neue Wirklichkeit Gottes noch verborgen, aber wir spüren die Hoffnung auf die Zukunft Gottes, wo es keine Tränen, kein Leid und kein Geschrei mehr geben wird.
Bei Paulus geht es nicht darum, uns ins Jenseits zu vertrösten und dem Leben hier keine Bedeutung mehr beizumessen. Im Gegenteil. Paulus spricht vom Richterstuhl Christi und vom Lohn für gute und böse Dinge. Dieses Bild steht nicht für Angst, weil das Grundsatzurteil Gottes schon in der Annahme des Menschen gesprochen ist, aber das Leben heute unterliegt nicht der Beliebigkeit.
Dazu gehört auch die Erfahrung, dass bei Gott auch unsere schiefen Wege wieder zurechtgerückt werden, so wie es Dietrich Bonhoeffer in seinen Worten beschrieben hat:
„Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Kraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.“
Die Worte von Bonhoeffer machen Mut, Gott alles anzuvertrauen, die starken und die schwachen Seiten, die Erfolge und die Misserfolge, die zaghaften Versuche und die vorsichtigen Schritte. Dann können wir auch bewusst Schritte auf andere Menschen zugehen, dann dürfen wir auch Fehler machen und einmal nicht den richtigen Ton treffen, aber wir sind auf dem Weg, wir warten nicht einfach auf das bleibende Haus und legen die Hände in den Schoß, sondern öffnen schon jetzt die Tür der Hütte und laden ein zu uns.
Im neuen Haus Gottes werden viele Wohnungen sein, wo auch die ein Zuhause finden, die jetzt auf der Straße stehen, aber in der alten Hütte der Gegenwart dürfen wir schon jetzt auf offene, einladende Türen und Fenster und einen runden Tisch treffen, um den sich die versammeln, die nach Schritten suchen, um den Leben hier ein Gelingen zu ermöglichen.
Der Theologe Hans Küng hat 1983 in einem Interview für die Zeitschrift „Evangelische Kommentare“ gesagt, dass die „Erfahrung kommt, dass diese Welt, wie sie nun einmal ist, doch wohl nicht alles gewesen sein kann. Dafür hätte sich kaum zu leben, zu leiden, zu lieben gelohnt. Und gerade die Geschundenen und Getretenen hätten das Recht zu fragen: War das alles? Wo bleibt die Gerechtigkeit?“
So könnten wir mit Paulus fortfahren, war das alles, das Wohnen in der Hütte? Muss da nicht noch mehr kommen?
Und wieder würden wir ein Seufzen hören, das Sehnen nach der bleibenden Wohnung und dem ewigen Haus, und Küng beschreibt es so: „Was geschieht, ist also eine Neuschöpfung und Verwandlung des ganzen Menschen durch Gott jenseits der Dimension von Raum und Zeit ... Wir sterben nicht ins Nichts, sondern in Gott hinein.“
Die Worte des Apostels wollen uns heute von dem Licht am Ende des Tunnels wissen lassen, aber sie wollen uns nicht entlassen ohne die Motivation nicht doch alles zu tun für eine Welt, die dem Willen Gottes entspricht. Wir werden nicht aufhören, von Zeit zu Zeit zu seufzen und uns in das bleibende Haus Gottes wünschen, aber wir werden aus der Perspektive dieses Glaubens, wie ihn Dietrich Bonhoeffer beschrieben hat versuchen, die Dinge zu ändern, die wir wollen und die wir uns zutrauen.
Im Zuge dieser Bewegung werden wir aus abwartenden zu fragenden und beobachtenden Menschen, zu solchen, die sich einmischen und Fragen stellen und einen Weg suchen, wie Gottes Zukunft schon hier und heute Gestalt annehmen kann. Wir werden dann nach Beziehungen und Begegnungen suchen, die über die Oberflächlichkeit hinausgehen.
Wir werden als Christen das Leben suchen, das seine Tiefe in Gott bekommt, und da dürfen wir seufzen, voller Sehnsucht sein, oder auch verzweifelt und traurig, mutig und entschlossen, abwartend und zögerlich zugleich.
Gott braucht nur die Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen und sich auf einen Weg mit ihm einlassen wollen. Amen.

Verfasser: Pfr. Gerd Hinke, Bahnhofstr.18, 39638 Letzlingen

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