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Weltgericht

von Günther Porr (55545 Bad Kreuznach-Ippesheim)

Predigtdatum : 14.11.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : Römer 8,18-23.(24-25)
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Wochenspruch:

Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi. (2. Kor. 5,10)

Psalm: 50,1.4-6.14-15.23

Lesungen

Altes Testament:
Jeremia 8,4-7
Epistel:
Römer 8,18-23 (24-25)
Evangelium:
Matthäus 25,31-46

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 152
Wir warten dein, o Gottes Sohn
Wochenlied:
EG 149
Es ist gewisslich an der Zeit
Predigtlied:
EG 638
Ich lobe meinen Gott,
der aus der Tiefe mich holt
Schlusslied:
EG 16,5
Gott will im Dunkel wohnen

18 Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. 19 Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden. 20 Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit - ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat -, doch auf Hoffnung; 21 denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. 22 Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet. 23 Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes. 24 Denn wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht? 25 Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld.

Liebe Gemeinde,
dass es Herbst ist, Spätherbst sogar, merken wir nicht erst seit kurzer Zeit. Fallende Blätter, welkendes Laub, wohin wir sehen. Dichte Nebel, die sich auch am Tag kaum auflösen, verbreiten Melancholie und lösen bei vielen Menschen depressive Zustände aus, die insbesondere dann auftreten, wenn das Tageslicht sich hinter einem grauen Schleier verbirgt.
Die uns umgebende Natur liegt im Sterben, macht uns ihre Vergänglichkeit deutlich und zugleich auch unsere eigene irdische Endlichkeit. Novemberstimmung eben! Und in diesen Rahmen passt auch, dass die Menschen besonders in diesem Monat sich des „Memento mori“ - gedenke des Todes - erinnern.
Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, den wir heute begehen, Buß- und Bettag, Ewigkeitssonntag, sind Meilensteine, die uns an die Vergänglichkeit alles Erschaffenen erinnern.
Vereine, Verbände und Kommunen erinnern in Gedenkveranstaltungen an die mehr als 65 Millionen Toten auf den Schlachtfeldern zweier furchtbarer Weltkriege des 20. Jahrhunderts. Dabei sollten wir auch derer gedenken, die in den Kriegen nach 1945 in der weiten Welt ihr Leben lassen mussten und die nicht der Vergessenheit anheim fallen dürfen, weil die Kreuze der Kriege zuvor alles zu überdecken scheinen.
Es liegt daher auch an uns, mitzuhelfen, dass der Kreuze in dieser Welt nicht noch mehr werden, weil die Hoffnung der Christenheit letztlich nur in dem einen Kreuz begründet liegt, das dazu beitragen will, dass weitere Kreuze als Mahnmale sinnlosen Mordens überflüssig werden.
Hoffnung - davon spricht der Apostel Paulus in unserem heutigen Predigttext. Hoffnung und Heilsgewissheit zu vermitteln, muss auch Aufgabe der Predigt am Volkstrauertag 1998 sein, und nicht nur heute, sondern immer, wenn Gottes Wort Menschen weitergesagt wird.
Es ist sicher keine ganz leichte Aufgabe, mitten in Trauer und Ratlosigkeit Hoffnung zu predigen, Licht in das Novemberdunkel zu bringen, und deutlich zu machen, dass Tod und Trauer nicht das letzte Wort haben dürfen.
Paulus sagt klar, dass die gegenwärtigen Leiden, die Trauer und alles, was damit einhergeht, nicht so gewichtig sind, angesichts dessen, was Christen in der zukünftigen Herrlichkeit Gottes zu erwarten haben. „Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit“, wie es im 2. Korintherbrief, Kapitel 4 nachzulesen ist.
„Herrlichkeit“ im neutestamentlichen Sinn bedeutet dabei nicht ein sorgenfreies Leben in Saus und Braus, um es salopp zu sagen, nein, es bedeutet unvergängliches Leben in Jesus Christus, an dem die Menschen teilhaben dürfen, weil das eine Kreuz die Voraussetzung hierzu geschaffen hat. Ein für allemal und unwiederholbar!
Weiter schreibt Paulus, dass alle Kreatur, die Geschöpfe also, diese Herrlichkeit zu sehen bekommen. Er will die Menschen gewissmachen, dass die verheißene Herrlichkeit allen gilt, wobei es bei dem einzelnen liegt, ob er sich dieser Herrlichkeit öffnet oder sie als verstaubte Legende ins Reich der Fabel verweist.
Christen leben in der Hoffnung und aus der Hoffnung, sie stehen mit dieser Hoffnung nicht auf einsamem Posten. Hoffnung ist das Gegenteil von Resignation, Hoffnung ist Zuversicht. „Hoffnung lässt nicht zuschanden werden“, wie es im 5. Kapitel des Römerbriefes heißt.
Menschen hoffen ja ständig auf irgendetwas, manchmal werden sie in ihrem Hoffen auch enttäuscht, oftmals von Menschen, auf die sie ihre ganze, vielleicht auch letzte, Hoffnung gesetzt haben. Viele sind auch von uns, von der Kirche, enttäuscht, fühlen sich im Stich gelassen, nicht verstanden, bleiben ohne Antworten auf brennende Fragen, Antworten, die freilich auch wir nicht immer geben können, wenn wir an unsere Grenzen stoßen. Christen sind eben keine Experten für Patentrezepte.
Häufig wenden sich Enttäuschte ab, laufen Gefahr, in die Fänge von selbsternannten „Heilslehrern“ zu fallen, die sie dann möglicherweise später auch wieder enttäuschen, weil sie gehegte Erwartungen nicht erfüllen. Oder sie geraten in die Knechtschaft, werden unterdrückt, psychisch und physisch „fertig gemacht“, wie uns viele Beispiele tagtäglich in den Medien belegen.
Dann entsteht immer die Frage an uns, ob wir als Christen, sagen wir als „Hoffnungsträger“, versagt haben, wo wir in Jesu Namen hätten entschlossener (und liebevoller?) auftreten müssen?
Liebe Gemeinde, wir haben schon von der „Herrlichkeit“ gesprochen. Paulus steigert sich, indem er von der „herrlichen Freiheit“ der Kinder Gottes spricht.
Kinder Gottes! Dies bedeutet zunächst Gottessohnschaft, Menschen, die Gott zur vollen Sohnschaft angenommen hat, weil sie seine Söhne und Töchter sind. Zugehörigkeit zum göttlichen Vater. Freiheit ist ein sehr hohes Gut, gleich der Gesundheit. Was Unfreiheit bedeutet, haben die ältere Generation im „Dritten Reich“ und die Menschen in der ehemaligen DDR leidvoll erfahren müssen, und müssen Menschen in vielen Teilen der Welt bis heute erfahren.
Freiheit der Kinder Gottes ist nicht ein Leben in der Zügellosigkeit, nicht ein Leben der unbegrenzten Möglichkeiten. Diese Gotteskinder-Freiheit kann unter Umständen auch einmal schmerzlich sein, belasten, behindern im Strom der Zeit, weil sie zugleich auch Gegen-den-Strom-Schwimmen zumutet.
Dessen aber dürfen wir - trotz allem - gewiss sein: Freiheit der Kinder Gottes bedeutet Angenommensein, so wie wir sind, schuldbeladen und doch freigesprochen, geliebt und teuer erkauft.
Zweimal spricht der Apostel Paulus vom Ängstigen. Vom ängstlichen Harren der Kreatur und der sich ängstenden und seufzenden Schöpfung.
Wie oft seufzen wir bei unserer täglichen Arbeit, die uns manchmal über den Kopf zu wachsen droht. Kranke seufzen unter Schmerzen, Väter und Mütter seufzen über missratene Kinder, Mitarbeiter über ihren Chef und der wiederum über seine Mitarbeiter.
Die uns umgebende, im Ersterben liegende Natur seufzt mit uns Menschen um die Wette. Die Endlichkeit scheint die Oberhand zu behalten. Aber eben nur scheinbar. Denn jedem Verblühen folgt im nächsten Frühjahr ein erneutes Aufblühen. Jedes Ende bedeutet zugleich auch Chance zum Neuanfang. Dieses Auf und Ab begleitet die Schöpfung, begleitet unser Leben. Mitternacht bedeutet immer den Anfang eines neuen Tages, der zu Neuem, auch Unbekanntem, aufruft. So bleiben wir nicht im Alten gefangen, sondern haben uns den Anforderungen des jeweils Neuen zu stellen, wenn wir nicht in Resignation, sprich Hoffnungslosigkeit, verfallen wollen.
Der Heilige Geist, so Paulus, ist es, den wir als Erste empfangen haben, gewissermaßen als Anschub für ein neues Leben. Er soll uns befähigen, den Weg in die Gotteskindschaft zu finden und in der Gewissheit stärken, dass wir nicht der endgültigen Vergänglichkeit des Fleisches anheim fallen, sondern ewiges Leben haben in dem, der den Tod besiegt hat. Man nennt dies auch Auferstehungshoffnung und -glaube, das Wissen darum, dass mit dem Tod des Leibes eben doch nicht alles zu Ende ist.
Das dürfen Christen hoffen. Sie hoffen auf etwas; was dem Auge verborgen bleibt. Auf etwas, was wir sehen, was wir mit unseren Händen greifen können, brauchen wir nicht zu hoffen. Hoffen kann man nur auf etwas, was noch verborgen ist, was noch in der Zukunft liegt und der gegenwärtigen Wahrnehmung entzogen ist.
Der Apostel mahnt zur Geduld. Menschliche Ungeduld hat schon so manche Hoffnung jäh zerstört, sie wie eine Seifenblase zerstieben lassen. So, liebe Gemeinde, kann christliche Hoffnung nicht gelebt werden. Sie kann sich nur entfalten in der Geduld, die uns zwar manches abverlangt, aber eben auch hoffen lässt. „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet“, so steht es weiter hinten im Römerbrief. Oder in der Offenbarung des Johannes: „Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen.“
„Die Hoffnung ist eine Schwester des Glaubens“, so hat Helmut Gollwitzer es einmal formuliert. Das heißt, Hoffnung und Glaube sind eng miteinander verwandt, stammen aus einer Familie. Man kann es auch so sagen: Hoffnung ist die die Zukunft eröffnende Perspektive des christlichen Glaubens, sie lässt die Endlichkeit schwinden und nimmt der Vergänglichkeit ihren Schrecken.
Wenn wir uns darauf besinnen, dann können wir auch an einem Tag wie dem heutigen in aufrechter Haltung an Gräbern und Kreuzen stehen, weil wir gewiss sein dürfen, dass jedes Ende einem neuen Anfang weichen muss, dass gegen Resignation als Ausdruck der Hoffnungslosigkeit, gegen Leiden und Vergehen es eine einzige Hoffnung gibt, die in dem einen Kreuz ihren Ursprung hat. Amen.

Verfasser: Prädikant Günther Porr (1998)

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