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Weltgericht

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 19.11.2000
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : Offenbarung 2,8-11
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Wochenspruch:

Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi. (2. Kor. 5,10)

Psalm: 50,1.4-6.14-15.23

Lesungen

Altes Testament:
Jeremia 8,4-7
Epistel:
Römer 8,18-23 (24-25)
Evangelium:
Matthäus 25,31-46

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 148
Herzlich tut mich erfreuen
Wochenlied:
EG 149
Es ist gewisslich an der Zeit
Predigtlied:
EG 388
oder EG 399
O Durchbrecher aller Bande
O Lebensbrünnlein tief und groß
Schlusslied:
EG 375
Dass Jesus siegt

Dem Engel der Gemeinde in Smyrna schreibe: Das sagt der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig geworden: 9 Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut - du bist aber reich - und die Lästerung von denen, die sagen, sie seien Juden, und sind's nicht, sondern sind die Synagoge des Satans. 10 Fürchte dich nicht vor dem, was du leiden wirst! Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, damit ihr versucht werdet, und ihr werdet in Bedrängnis sein zehn Tage. Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. 11 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem soll kein Leid geschehen von dem zweiten Tode.

Liebe Gemeinde,
An der Westküste der heutigen Türkei liegt die Stadt Smyrna. Heute ist auf gleichem Gebiet Izmir zu finden, eine der großen türkischen Städte. Smyrna war um das Jahr 90 n. Chr. eine bedeutende Handelsstadt mit einem Gerichtsplatz des römischen Staates. Es war eine junge, moderne Stadt. Smyrna war in diesen Jahren prächtig wiederaufgebaut worden, nachdem es jahrhundertelang zerstört gelegen hatte. Dieser jungen Stadt wurde ein Kaisertempel für den römischen Kaiser gestiftet, eine Auszeichnung, um die sich viele Städte bemühten und die doch nur wenigen Städten zuteil wurde.
In dieser Stadt Smyrna gab es eine kleine Christengemeinde. Diese Gemeinde hatte es schwer. Die Christen waren wirtschaftlich arm und lebten am Rande der Gesellschaft. Sie hatten es schwer mit dem Staat und seinem Kaiserkult. Sie hatten es genauso schwer mit anderen Religionen, die es reichlich gab. Man kann sagen: sie saßen zwischen allen Stühlen, und sie drohten, unter die Räder zu kommen. Manche zählten sie einfach zu den Juden, weil einige auch einmal Juden gewesen waren. Aber sowohl die Juden als auch die Christen wussten: trotz der gemeinsamen Wurzel in der Geschichte Israels gehörten sie doch nicht mehr zusammen, weil der Glaube an Jesus sie trennte. Das aber war für manche - Juden und andere - Anlass genug, auf sie Druck auszuüben: sie sollten sich dem Kaiserkult beugen. Wenn sie schon keine Juden waren, dann sollten sie vor dem Standbild des Kaisers opfern und so ihre Solidarität mit dem römischen Staat zum Ausdruck bringen
Das stellte der Gemeinde die Frage, die bis heute immer wieder Christen beschäftigt: Wieweit müssen wir uns abgrenzen? Wann müssen wir sagen: Wir können nicht mittun in dem, was die Gesellschaft um uns lebt und erwartet? Wieweit können und müssen und dürfen wir uns anpassen an das, wie um uns herum gelebt wird und was der Staat von uns erwartet?
So haben wir eine Gemeinde vor Augen, die innerlich und äußerlich belastet ist, in der es oft genug verzagt zugegangen sein mag und die von sich selbst das Bild hatte: Wir sind dem kaum gewachsen, was auf uns zukommt. Wir sind schwach und hilflos und können fast nichts bewirken. Und manchmal mag sich diese Gemeinde sehr schutzlos und ausgeliefert vorgekommen sein.
Was kann einer Gemeinde in solch einer schwierigen Situation helfen? Wer kann einer Gemeinde in solch einer Situation helfen? Oder gilt da der Satz, den wir manchmal hören und manchmal wohl auch selbst sagen: Hilf dir selbst, so hilft dir Gott
Die erste Hilfe für diese Gemeinde heißt: Seht, zu wem ihr gehört!
Das sagt der Erste und der Letzte, der tot war und lebendig ist. Indem Jesus sie so anspricht, sagt er zugleich: Schaut her, was ihr erlebt, das ist ganz nahe an dem, was ihr an mir seht: Ihr kommt euch manchmal wie tot vor - ich war tot! Ihr könnt manchmal kaum noch die Hoffnung auf Leben durchhalten - ich bin lebendig, obwohl ich in den Tod gegeben worden bin. So sagt Jesus seiner bedrängten Gemeinde damals: Ich bin nicht unbedrängt durch das Leben gegangen, ich bin im Tod zerbrochen worden. Aber das war nicht das letzte Wort: ich bin nicht vom Tod besiegt für immer - ich habe den Tod überwunden. Ich habe den Weg, der euch jetzt so schwer fällt, auch durchschritten, längst vor euch - und ich bin auf diesem Weg ins Leben gegangen. So liegt in den Worten Jesu von allem Anfang an ein Versprechen an die Gemeinde: Weil ihr zu mir gehört, darum ist auch der schwere Weg ein Weg ins Leben.
Und das zweite, was Jesus der Gemeinde und den Menschen in ihr sagt: Ich weiß um deine Trübsal und Angst. Ich weiß, wie es bei euch aussieht. Ich weiß, wie es in euch aussieht. Ich weiß, was euch zu schaffen macht. Seit diesem Wort können die Leute der Gemeinde in Smyrna sagen: Unser Herr hat uns nicht vergessen. Der auferstandene, erhöhte Christus hat uns, diese kleine Gemeinde in Smyrna im Blick. Und er wird es nicht über unsere Kräfte gehen lassen.
Reisegruppe in Jerusalem gehen auch sicherlich den Weg nach Yad Vaschem. Das ist die Gedenkstätte des Staates Israel für die Opfer des Holocausts. In dieser Gedenkstätte ist unter anderem auch ein Mahnmal für die Kinder, die im Holocaust umgebracht worden sind. Es sind rund 1.500 000 Kinder, die in den Vernichtungslagern gestorben sind.
Wenn man in diese Gedenkstätte hineingeht, geht man in einen dunklen Raum. In der Mitte stehen fünf Kerzen. Sie geben ihr Licht in Spiegeln, die sie so oft widerspiegeln, dass man das Gefühl hat, in einem Meer von Lichtern zu stehen. In dieses Dunkel hinein und in diese Lichter hinein lesen eine Mann und eine Frau Namen der Kinder vor, ihr Geburtsland und ihr Alter, in dem sie starben.
Jemand, der dort war, hat mir erzählt: Als ich dort stand, einige Minuten lang, und dies sah und hörte, da ist mir ein Lied eingefallen, das viele von uns wohl einmal als Kinder gelernt haben:
“Weißt du, wie viel Sternlein stehen
an dem blauen Himmelszelt
Weißt du, wie viel Wolken gehen
weithin über alle Welt
Gott der Herr hat sie gezählet,
dass ihm auch nicht eines fehlet
an der ganzen großen Zahl...
Und dann sagte er weiter: Ich konnte die Sterne dort in Yad Vaschem nicht zählen - so wenig wie ich Tage später die Sterne am Wüstenhimmel zählen konnte. Und keiner weiß genau, wie viele Kinder und wie viele Erwachsene in dem schrecklichen Geschehen des Holocaust das Leben gelassen haben - aber daran mache ich mich fest: Gott, der Herr, hat sie gezählt und in ihm werden sie ihre Ruhe und ihr Recht finden.
Er, der von sich selbst sagt: Ich bin der Erste und der Letzte, der tot war und lebendig geworden ist.” - er sagt: Ich weiß um deine Trübsal und deine Armut! In diesen Worten: “Ich weiß um deine Trübsal und um deine Armut” liegt der ganze Trost des Evangeliums. Der auferstandene Herr macht nicht die Augen zu vor dem Schicksal der Gemeinde und des Einzelnen. Nein, bei ihm, der die Schrecken des Todes am eigenen Leib gespürt hat, kommen wir vor - du und ich - mit dem, was uns ängstet und bedrängt, was uns fertig macht und verzagen
Seht, wenn ich das nicht glauben könnte - ich weiß nicht, wie ich dann diese Bilder des Schreckens anschauen sollte, die es ja nicht nur in Yad Vaschem und nicht nur in der Vergangenheit gibt. Wenn ich das nicht glauben könnte, ich weiß nicht, wie ich mit den Bildern des Schreckens, wie sie Tag um Tag zu uns ins Haus kommen, umgehen sollte, ohne zynisch oder hart oder eiskalt zu werden. Wenn ich das nicht glauben könnte: “Ich weiß um deine Trübsal und Angst” - ich weiß nicht, wie ich dann noch auf eine gute Zukunft der Welt hoffen könnte.
Seht, wenn ich das nicht glauben könnte, dann würde mir manchmal um den Weg unserer Kirche Angst und Bange werden. Dann würde ich auch manchmal um den Weg dieser Gemeinde in unserem Ort nicht mehr ruhig sein können. Wie viele Gefahren gibt es heute - sich anzupassen oder zu erstarren, sich zu verweigern oder sich nach allen Seiten hin zu verlieren. Wie hilflos kommt mir unsere Kirche oft vor in den großen Herausforderungen unserer Zeit. Sie haben ja recht, die Leute, die manchmal sagen: Was die Christen zu den Problemen unserer Zeit so sagen, ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Und: wie wenig kann eine Kirchengemeinde doch konkret in den Nöten und Problemen ihres Ortes wirklich bewegen. Da ist das Verzagen und die Resignation nicht weit. Aber: der erhöhte Herr weiß um diese schwache Kirche und er trägt sie - und das genügt! Der erhöhte Herr weiß um die Anfechtungen seiner Gemeinde - auch hier bei uns - und er lässt sie nicht über die Kräfte gehen - und daran dürfen wir uns genügen lassen.
Ein Drittes erwächst daraus: Jesus ruft seine Gemeinde zur beständigen Treue:
“Sei getreu bis an den Tod, so will ich Dir die Krone des Lebens geben.” Man kann das auch so übersetzen: “Halte am Glauben fest bis ans Äußerste”. Es geht in diesem Wort nicht um irgendeine Nibelungentreue bis zum Untergang. Es geht nicht um die Treue zum Staat oder zum Volk, wie dies Wort vor 50 Jahren manchmal ausgelegt und dabei schändlich missbraucht worden ist. Es geht um die Treue zu Jesus. Weil er um uns weiß und uns hält, deshalb können und sollen wir am Glauben festhalten. Weil er zu uns steht, deshalb ist unser Platz in dieser Welt bei ihm, in seiner Gemeinde. Weil er uns nicht loslässt und uns nicht unserem Schicksal überlässt, deshalb können wir gelassen bleiben, auch wenn die Wellen manchmal hoch über uns zusammen schlagen.
Wie das aussehen kann, das kann man an Menschen sehen, die den Glauben durchgehalten haben. Einer davon stand im Jahr 155 n. Chr. eben in Smyrna vor Gericht. Da bot das Gericht dem an Jahren uralten Bischof Polykarp an: Sage Jesus ab und du gewinnst die Freiheit. Und Polykarp antworte: “86 Jahre diene ich Christus und er hat mir nichts zuleide getan. Wie kann ich meinen König lästern, der mich erlöst hat?” Und so geht er lieber in den Tod, als von Christus zu lassen.
Eine ganz ähnliche Haltung wird uns von vielen bezeugt, die im Dritten Reich vor dem Volksgerichtshof standen. Von den Geschwistern Scholl, von Hellmut von Moltke und von einigen anderen wissen wir: Sie konnten deshalb auf dem Weg durch Unrecht und schlimme Verletzungen ihrer Persönlichkeit bis zum Tod gelassen bleiben, weil sie fest verankert waren im Glauben an Jesus. Was für sie gilt, das ist nicht Ausnahme, das ist die Zusage Jesu Christi auch über uns: Ich lasse keinen los, der sich von mir halten lässt. Ich lasse keinen ins Nichts fallen, der sein Vertrauen auf mich gesetzt hat. Ich bringe durch den Tod ans Ziel, und niemand kann euch aus meiner Hand reißen.
An dieses Versprechen dürfen wir uns halten - so wie die Gemeinde in Smyrna, und so wie seitdem ungezählte, namhafte Christen und solche, deren Namen Gott alleine kennt: kein Leid der Welt kann uns aus der Verbundenheit mit Jesus reißen, weil er uns festhält und er ist der Erste und der Letzte, der tot war und lebendig ist und der aus dem Tod ins Leben bringen kann und bringen wird. Darauf lasst uns trauen und aus diesem Vertrauen lasst uns leben. Amen.

Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg

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