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Zeit der Erwartung des kommenden Gottes

von Ingrid Volkhardt-Sandori (35447 Reiskirchen)

Predigtdatum : 01.12.2013
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Advent
Textstelle : Hebräer 10,(19-22).23-25
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Wochenspruch:

"Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer." (Sach 9,9)

Psalm: 24 (EG 712)





Lesungen

Altes Testament: Jeremia 23, 5 - 8

Epistel: Römer 13, 8 - 12

Evangelium: Matthäus 21, 1 - 9



Liedvorschläge

Eingangslied: EG 17, 1 oder EG 154, 1-3 + 5 Wir sagen euch an Herr, mach uns stark

Lied vor der Predigt: EG 1,1 – 3 + 5 Macht hoch die Tür

Predigtlied: EG 11, 1 - 4 EG 13 Wie soll ich dich empfangen Tochter Zion

Schlusslied: EG 8, 1 - 4 Es kommt ein Schiff



Predigttext: Hebräer 10, 19 - 24

19 Weil wir denn nun, liebe Schwestern und Brüder, durch das Blut Jesu die Freiheit haben zum Eingang in das Heiligtum,

20 den er uns aufgetan hat als neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang, das ist: durch das Opfer seines Leibes,

21 und haben einen Hohenpriester über das Haus Gottes,

22 so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in vollkommenem Glauben, besprengt in unsern Herzen und los von dem bösen Gewissen und gewaschen am Leib mit reinem Wasser.

23 Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat;

24 und lasst uns aufeinander Acht haben und uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken.



Predigt

Kanzelsegen: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.



Der Predigttext für den heutigen Sonntag stammt aus dem Brief an die Hebräer. Er öffnet uns eine Tür: Die Tür zu einem festlichen Heiligtum. Dort sind wir willkommen, und von dort breitet sich Liebe aus.



Hebräer 10, 19 - 24



Liebe Gemeinde,

alle unsere Erwartungen, alles Plätzchen backen und Kerzenanzünden und Abmühen können nicht machen, dass es Advent wird.



All unsere Rührung, festlichen Gefühle, alle Weihnachtslieder und Bastelnachmittage kann nicht machen, dass es Advent wird.

Daran ist gar nichts Trauriges. Es ist befreiend, dass es nicht von uns abhängt, ob Advent wird oder nicht. Wir können Plätzchen backen oder es bleiben lassen.



Wir können das Haus mit Kerzen, Kränzen, Tannenzweigen schmücken oder nicht. Wir müssen nicht "in Stimmung" sein, damit Advent geschieht.



Advent, das bedeutet: Gott kommt. Gott kommt zu uns mit unserer schlechten Laune und unserer Hektik. Gott bringt die Terminkalender durcheinander und kümmert sich nicht um unsere Pläne. Gott kommt mit Macht wie ein Kind, das zur Welt kommen will. Gott geschieht, wenn wir uns freuen.

Manchmal erscheinen mir die Adventsbemühungen, auch meine eigenen, seltsam verstreut und verzerrt, als würde ihnen die Mitte fehlen: Die Kerzen am Fenster, der Weih-nachtseinkauf, die vielen Adventsfeiern, die alle Weih-nachtsfeiern heißen.



In Frankfurt ist der Weihnachtsmarkt in einem Jahr schon am Totensonntag eröffnet worden, im Supermarkt habe ich im November schon Ostereier gesehen. Wenn wir so wei-termachen, fallen bald Weihnachten und Ostern auf einen Tag, und der dauert von Oktober bis Mai.



Gott kommt zu uns im Advent, sogar wenn wir alles dafür tun, dass Gott draußen bleibt. Aber was wird mit uns dann geschehen?

Advent ist der Weg von der Trauer zur Freude, vom Tod zum Leben, vom Dunkel zum Licht. Wie kommen wir da hin?



Das ist die Frage des Advents, jedes Jahr von Neuem. Wo-her kommt unsere Hoffnung, dass das Dunkle vom Licht ab-gelöst wird? Woher kommt unsere Hoffnung, dass das Leben stärker ist und unsere Angst und Pein begrenzt sind - wie unüberwindlich sie uns auch vorkommen. Dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann es im Leben jedes Menschen wieder hell wird.

Die Menschen der ersten Kirche haben auf diese Frage ge-antwortet: Jesus Christus ist der Grund unserer Hoffnung. Denn er wird wiederkehren und uns erlösen. Er hat uns ei-nen neuen Weg gebahnt. Der Weg führt dorthin, wo uns nichts Böses mehr geschehen kann. Er starb am Kreuz und verließ sein Grab, denn er wollte nicht, dass wir ihn bei den Toten suchen.



Ebenso wahr ist: Licht und Hoffnung können auch verlö-schen. Jesus Christus ist der Grund unserer Hoffnung, be-kannten die ersten Christinnen und Christen, und ihre Hoff-nung war überschwänglich groß: Sie waren überzeugt, dass sich ihr Leben vollkommen verändern würde. Sie blickten nicht mehr zurück in die dunklen Zeiten, als sie noch Zöllner, Sünder, Kranke, ausgeschlossen vom religiösen und gesellschaftlichen Leben waren. Jetzt blickten sie nach vor-ne: Wir sind losgesprochen, wir sind mit reinem Wasser gewaschen, und das hat nicht nur äußerlich gewirkt. Sogar unser Herz ist davon ganz rein und neu geworden.



Jesus, an den wir glauben, ist ja unser Heiland, der Weg und das Tor, der Priester und das Heiligtum gleichzeitig.

Wir sind getauft, wir feiern Abendmahl - darum kann uns nichts mehr bedrohen.



So dachten viele. Aber es gab auch eine große Ernüchterung. Denn so sehr das alles wahr ist, wahr ist aber auch: Auch sie wurden krank; auch bei ihnen starben Menschen; auch sie hatten mit Schuldgefühlen zu kämpfen, sie wurden ausgelacht wegen ihres seltsamen Glaubens an einen von den Toten auferweckten Menschen. Das neue Leben, das so hoffnungsvoll begann, drohte in Düsternis zu versinken. Fragen wurden gestellt: Warum sollen wir eigentlich weiter glauben, wenn sich doch so wenig ändert? Warum beten wir zu Jesus, dem Auferstandenen, wenn unsere Freunde, wenn geliebte Menschen sterben? Warum opfern wir noch von un-serem wenigen Geld, wenn die Welt doch keine sichtbaren Fortschritte macht? Ist unsere Hoffnung überhaupt berechtigt?

Wie viele Christinnen und Christen haben seitdem so gefragt? Und wie viele Menschen haben die Antwort gar nicht erst abgewartet und lieber selbst geantwortet: „Trotz allen Glaubens ändert sich nichts. Verabschieden wir uns also vom Glauben. Christentum ist eine Erscheinung von gestern und vorgestern. Das ist überholt. Wer nach vorn blicken will, sollte sich damit nicht aufhalten.“



Die ersten Gemeinden warteten sehnsüchtig darauf, dass Jesus wiederkommt. "Advent"- das Wort heißt ja auf Deutsch "Ankunft"- das bedeutete ihnen wirklich, dass Jesus hier auf der Welt ankommen würde. Sie warteten und warteten. Sie waren enttäuscht, als der Erlöser nicht kam. Viele wandten sich jetzt vom Christentum ab und verließen die Gemeinden. Die Christen wurden zum Gespött ihrer Zeitgenossen. In einem römischen Gefängnis wurde aus dieser Zeit ein Bild gefunden, das ein Gefangener in die Zellenwand geritzt hatte. Darauf war ein gekreuzigter Mensch zu sehen mit einem Eselskopf. Darunter stand: "Glaukus betet zu seinem Gott." Als dummen Esel hat der Gefangene seinen christlichen Zellengenossen also betrachtet. Wozu sind wir eigentlich Christen? Was haben wir nur davon? Diese Frage lag also damals in der Luft. "Am Ende haben wir nur auf ein Hirngespinst gehofft", zweifelten viele.



Das sind die Menschen, an die der Hebräerbrief geschrieben wurde. Mit poetischen Bildern öffnet er den Weg in ein lebendiges Heiligtum in einer Zeit, in der der Tempel in Jerusalem zerstört ist und die Tempel der alten Götter zerfallen. Am Altar dieses Heiligtums steht Jesus Christus, denn er ist der Hohepriester, der die Arme ausbreitet, um uns freundlich zu empfangen. Er ist aber auch das Tor zum Tempel und der Weg dorthin, er ist das Heiligtum selbst, er ist sogar der Vorhang, durch den man ins Allerheiligste gelangt.



In einer Zeit, in der selbst Götter sterben, wird so ganz neu darüber nachgedacht, was in der Welt heilig ist.

Seitdem gibt es eine Hoffnung, die sogar Zeiten einstürzender Tempel übersteht.

"Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat."

Ihr kennt ihn ja! - ermutigt unser Text. Es ist ja keine Einbildung. Es ist eine geschichtliche Wirklichkeit. Jesus lebte zur Zeit des Pontius Pilatus. Jesus war ein Mensch mit Gesicht, Händen und einem Herzen. Ein Mensch mit Gott an seiner Seite. Haltet euch an ihm fest, denkt daran, wie er gelebt und gelitten hat und wie Gott ihn auch in den dunklen Zeiten seines Lebens nicht preisgegeben hat. Für uns hat die Hoffnung ein Gesicht und einen Namen. Wir sehen Jesus, wie er als Priester in seinem Heiligtum steht und uns mit offenen Armen empfängt- ein Heiligtum, erbaut aus dem Bekenntnis der Hoffnung.



Für den Hebräerbrief ist dieses Heiligtum kein Luftschloss und kein Traum. Der festliche Einzug in das schöne Haus beginnt schon jetzt, in der Gegenwart, nicht erst in ferner Zeit, wenn sich alle seine Hoffnungen endlich erfüllen. Denn vor dem Eingangstor liegt ja noch der Weg, auf dem wir das Ziel schon in der Ferne leuchten sehen. Wir sind auf dem Weg, und den gehen wir mit anderen gemeinsam. Die lange Wanderung wird leichter werden, wenn wir aufeinander achten. "Lasst uns aufeinander achthaben und uns Mut machen zur Liebe und zu guten Werken."



Alle unsere Erwartungen, alles Plätzchen backen und Kerzenanzünden und Abmühen können nicht machen, dass es Advent wird.

All unsere Rührung, festlichen Gefühle, alle Weihnachtslieder und Bastelnachmittage kann nicht machen, dass es Advent wird.



Es ist ja viel einfacher: Aufeinander achten. Den Weg nicht aus den Augen verlieren. Wir brauchen damit nicht bis zum Jüngsten Tag zu warten. Der Weg ist frei. Es ist jetzt schon wahr, dass wir willkommen sind im Heiligtum der Liebe Jesu.

Im Konfirmandenunterricht haben wir über die Frage gesprochen: Woran erkenne ich, dass andere Menschen vor mir Respekt haben? Die Antworten der Jugendlichen waren ganz verschieden, aber es gab doch eine Gemeinsamkeit. Respektiert werden, das bedeutete: Andere Menschen lassen mich in Ruhe, sie fangen keinen Streit mit mir an. Sie verletzen meine Gefühle nicht. Ich kann ihnen vertrauen und brauche nicht misstrauisch zu sein.



Es sind einfache Dinge, aber wie fast alles Einfache schwer zu machen. Wie soll ich Respekt vor einem Menschen haben, der mich dauernd kränkt? Das geht kaum. Wie soll ich Respekt lernen, wenn mir niemand Mut macht, mich selbst zu respektieren? Wo hört der Respekt auf, wo fängt die Vertrauensseligkeit an? Ist es respektlos, wenn ich zum Spaß ein Schimpfwort gebrauche? Welche Schimpfwörter sind in Ordnung, welche sind auf keinen Fall erlaubt?



Der Respekt vor unseren Mitmenschen ist etwas Heikles, Empfindliches, etwas, das jeden Tag neu ausgehandelt wird und im Nu zerstört werden kann. "Lasst uns aufeinander achthaben", einander achten, voreinander Respekt haben.



Wir haben selbst etwas davon, wenn wir andere nicht kleiner machen, als sie sind. Es macht einen Unterschied, ob ich in meinen Mitmenschen zuerst das sehe, was sie nicht leisten, oder das, was sie leisten. Es macht einen Unterschied für sie, aber auch für mich. Wenn ich anderen etwas zutraue, können sie "wachsen"- und ich auch.



Wir Menschen brauchen einander. Wo wir einander in Liebe ansehen und zur Liebe ermutigen, dann sind wir auf dem Weg.



„Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken, denn er ist treu, der sie verheißen hat.“ An dieser Stelle leuchtet das Adventslicht Gottes in einer dunklen Welt. Es leuchtet von dem Heiligtum her, das Jesus ver-körpert und in dem er gleichzeitig der Priester ist. Da wächst die Hoffnung auf eine Welt, die in einem ganz neuen Glanz erstrahlt.

Amen.



Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.





Verfasserin: Pfarrerin Ingrid Volkhardt-Sandori

Oberdorfstraße 23, 35447 Reiskirchen


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