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Zeit der Erwartung des kommenden Gottes.

von Joachim Meyer (Reinheim)

Predigtdatum : 29.11.2009
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Advent
Textstelle : Römer 13,8-12.(13-14)
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Zeit der Erwartung des kommenden Gottes
Wochenspruch:

„Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ (Sacharja 9,9)

Psalm: 24 (EG 712)

Lesungen

Altes Testament:
Jeremia 23, 5 – 8
Epistel:
Römer 13, 8-12
Evangelium:
Matthäus 21, 1 – 9

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 4
Nun komm, der Heiden Heiland
Wochenlied:
EG 16
Die Nacht ist vorgedrungen
Predigtlied:
EG 18
Seht, die gute Zeit ist da
Schlusslied:
EG 590
Herr, wir bitten: Komm und segne uns

1. Der zeitliche Kontext der Predigt

Der 1. Advent ist der Beginn des neuen Kirchenjahres. Am ersten Advent wird seit vielen Jahren die Sammelaktion „Brot für die Welt“ eröffnet. An diesem Sonntag finden viele Advents- und Weihnachts-märkte, in Gemeinden Adventsbasare statt. Der Adventskranz ziert von heute an Häuser und auch manches Gotteshaus, die erste Kerze wird entzündet.

So ist das Thema „Anfangen“ auf mancherlei Weise vorgegeben und bietet auch die Chance, in den Gottesdienstablauf mit ein zu fließen, z. B. durch das liturgisch gestaltete Entzünden der ersten Kerze am Adventskranz zu Beginn des Gottesdienstes, beispielsweise mit den Worten: „Jesus sagt: Ich bin das Licht der Welt. Wo Menschen in meinem Namen zusammen sind, da ist Licht. Es breitet sich aus. Es wärmt uns. Da ist Gottes Liebe mitten unter uns“.

2. Der literarische Kontext des Predigttextes

Unser Predigttext steht am Ende des Römerbriefes. Der Römerbrief ist ein Brief des Apostels Paulus, geschrieben an eine Gemeinde, die er nicht selbst gegründet hat, die er aber besuchen möchte. Datum der Abfassung ist das Jahr 55 oder 56 nach Chr., nach dem Tod des Kaisers Claudius, der die Christen durch das Claudius-Edikt ( 49 n. Chr.) aus Rom vertreiben wollte.

Der Römerbrief enthält eine Zusammenfassung paulinischer Theologie. In seinem Schlussteil, in dem auch der Predigttext steht, geht es um das angemessene Verhalten als Ausdruck des Glaubens. Römer 13 beginnt mit Sätzen über das Verhalten der Gemeindeglieder im römischen Staat. Die „Staatsmacht“ ist von Gott eingesetzt, darum ist Unterordnung angesagt, nicht Widerstand( 13,1). Unterordnung aber wird beschrieben als das Tun guter Werke, die die Staatsmacht zu schützen hat (13, 3f). Konkret wird die Unterordnung auch durch das Zahlen der Steuer und des Zolls (13,6f).

3. Der Predigttext

Der Predigttext setzt die Ermahnung des Apostels an seine Leserinnen und Leser fort. Aber er fokussiert und begründet sie in der Liebe (13, 8 - 10). Die Liebe ist des Gesetzes Fülle und Erfüllung, seine Vollendung. Motiv für ein Leben in der Liebe findet der Apostel in der Erwartung des Herrn, dessen Kommen Heil und Heilung in die unheilvolle Welt bringt. Obwohl der Zeitpunkt dafür unbekannt ist, genügt schon die bloße Nähe im Jetzt, die Haltung und das Verhalten zu ändern. Metaphorisch bringt der Apostel dies zur Sprache durch die Bilder vom Schlaf und dem Aufstehen – hier die Assoziation zur Auferstehung sowie durch die Basisopposition Licht - Finsternis in deren doppelter Bedeutung von Nacht der gegenwärtigen Welt und Tag des kommenden Herrn, Werke der Finsternis und Waffen des Lichts (13, 11 u.12). Beides entstammt der Erfahrungswelt der Leser. Hier kann der Prediger anknüpfen, denn zur Zeit werden die Tage kürzer, die Nacht wird länger und die Sehnsucht nach Licht wächst so sehr, dass die Menschen Städte und Häuser zusätzlich im Advent mit besonderen Lichtspielen schmücken und beleuchten.

4. Assoziationen zur Predigt

- Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.
- Fange nie an aufzuhören – höre nie auf anzufangen
- Der Anfang ist mehr als die Hälfte vom Ganzen
- Von dem, was man heute denkt, hängt ab, was morgen auf den Strassen und Plätzen gelebt wird (Josè Ortega y Gasset)
- Wir brauchen nicht so fort zu leben, wie wir gestern gelebt haben. Macht euch nur von dieser Anschauung los, und tausend Möglichleiten laden uns zu neuem Leben ein. (Christian Morgenstern)
- Heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens.
- Winter ist, aber die Knospen wissen es besser.
- Man hat halt so eine Sehnsucht in sich – aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln, und das Leben geht weiter, als wäre man nie dabei gewesen. (Ödön v. Horvath)
- Vergiss/Deine Grenzen/Wandre aus/Das Niemandland/ Unendlich/nimmt dich auf (Rose Ausländer)
- Vielen genügt es, die Auferstehung Jesu Christi in den Büchern stehen zu lassen, aber sie machen nichts daraus für ihr Leben. (Christoph Blumhardt)
- Unsere christliche Existenz besteht darin, dass wir ständig das Ostergeheimnis leben: kleine Tode, einer nach dem anderen, gefolgt von Ansätzen einer Auferstehung. Hier liegt der Ursprung des Festes. Von nun an stehen alle Wege offen (Frère Roger).

5. Die Predigt

Es ist Advent! Endlich ist Advent! Die erste Kerze am Adventskranz brennt, die Häuser sind mit Licht geschmückt!

Wir Menschen sehnen uns nach Licht, gerade in diesen dunklen Tagen. Denn Licht steht für Leben, für Wärme, für Orientierung und auch für Leichtigkeit, Lust und Spiel. Man muss sich nur einmal die phantasievollen Lichtspiele in der Adventszeit anschauen.

Unser Predigttext heute Morgen führt uns eine andere Art vor Augen, die Dunkelheit unter uns Menschen zu vertreiben. Denn Dunkelheit gibt es nicht nur draußen – Dunkelheit gibt es auch in uns drinnen, im Herzen. Dunkelheit gibt es auch in unseren Werken, in unserem Tun. Dunkelheit gibt es zwischen uns. Auch wenn ganz viel Licht, künstliches Licht, um uns herum leuchtet, kann es doch
in uns und zwischen uns dunkel sein. Hören Sie die Worte aus dem Römerbrief und das Rezept des Apostels Paulus, diese Form der Dunkelheit zu vertreiben:

Lesen Römer 13, 8 - 12.

Die Christen waren im alten Rom eine Minderheit. Und sie litten unter der Gewalt des Kaisers in seinem Reich. Sie waren sich unschlüssig, wie sie im Alltag leben sollten, waren sie doch Bürger eines ganz anderen Reiches, eines neuen Reichs, eines Reichs, das nicht von dieser Welt war: des Reiches Gottes. Paulus führt ihnen das zentrale Gesetz dieses Reiches vor Augen, das alle anderen Gesetze erfüllt und vollendet: Liebet einander. Und dieses Gesetz reicht in die konkrete Welt hinein. Ja, sie erfüllt all ihre Gesetze. Die Liebe – sie ist die Erfüllung des irdischen und des himmlischen Gesetzes.
Die Zeiten haben sich geändert. Das Römische Reich hatte bald abgewirtschaftet, andere Reiche folgten ihm, bis zum heutigen Tag. Regierungen kommen und gehen, machen Gesetze und erklären andere für ungültig. Aber dieses eine Gesetz hat seine Kraft und Gültigkeit bis zum heutigen Tag nicht verloren: die Liebe. Weil es kein Gesetz einer weltlichen Regierung ist, sondern weil es das Gesetz Gottes ist und bleibt – ja mehr noch: weil die Liebe das Wesen Gottes selbst ist: „Gott ist die Liebe“ lesen wir an einer anderen Stelle im Neuen Testament „und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“(1 Joh 4, 16).

Liebe und Gott gehören untrennbar zusammen. Das muss heute am 1. Advent, am Anfang des neuen Kirchenjahres gesagt werden. Denn am Anfang steht die Liebe und nichts als die Liebe. Aus Liebe hat Gott die Welt erschaffen – ganz am Anfang. Aus Liebe schafft er sie bis zum heutigen Tag und erhält sie.

Am Anfang steht die Liebe. Denn die Liebe vertreibt die Dunkelheit aus unseren Herzen. Darum zünden wir am ersten Advent ja auch dieses erste Licht am Adventskranz an. Dieses eine Licht am 1. Advent hat einen eindeutigen Namen. Es heißt Liebe. Wo Liebe ist zwischen Menschen – egal in welcher Form und Ausprägung – da wird es hell. Da verbreitet sich das Licht. Da wird Dunkelheit vertrieben. Und auch die Kälte.

Am Anfang ist die Liebe. Und der Anfang ist bekanntlich mehr als die Hälfte vom Ganzen. Darum ist es nicht mehr als recht und billig, dass heute auch die große Sammelaktion „Brot für die Welt“ zum 51. Mal wieder eröffnet und in Erinnerung gerufen wird. Denn sie ist eine Ausdrucksform der Liebe. Wo Menschen aneinander denken, für einander sorgen und auch von ihrem Besitz und Eigentum abgeben, da geschieht Liebe. Da erachte ich meinen Besitz geringer als das Wohl des anderen. Da gewinnt Gestalt, was der Predigttext in seiner zweiten Hälfte andeutet: da bin ich nicht dieser Welt verhaftet mit meinem Hab und Gut. Da öffne ich mich für die kommende Welt Gottes, in der alles Hab und Gut keine Bedeutung mehr haben wird. So wie ich ohne alles Hab und Gut auf diese Welt gekommen bin und auch nichts mitnehmen kann, wenn ich sie wieder verlasse. Ich stelle es in den Dienst der Liebe. Ich verbrenne es im Geben, so wie die Kerze verbrennt und dadurch Licht spendet für ihre Umgebung.
Lieben heißt Anfangen, hat einmal jemand gesagt. Und auch einen Anfang ermöglichen. Darum gewinnt Liebe Gestalt im Vergeben: vergangene Schuld, die bis in die Gegenwart reicht, benennen, anschauen, nicht vertuschen, aus ihr lernen, auch den Schmerz spüren, den sie verursacht, aber dann auch vergeben. Nicht mit in den neuen Tag nehmen. Am Ende des Tages zurücklassen. Und miteinander in Liebe einen neuen Anfang wagen.

Advent, liebe Gemeinde, sie spüren vielleicht, welch eine Kraft im Anfang des neuen Kirchenjahres steckt. Und welche Chance. Und welche Möglichkeit. Wir feiern Advent, weil wir auf den Herrn dieser Welt warten. Auf das Fest seiner Geburt.Wir feiern Advent, indem wir unseren Alltag durchbrechen lassen von der Anderwelt Gottes: indem wir in der Dunkelheit ein Licht anzünden. Indem wir Symbole und Bilder zur Hilfe nehmen, die uns Hoffnung machen und Kraft schenken. Indem wir Lieder singen vom Warten und Kommen, vom Licht in der Finsternis. Indem wir uns an Personen erinnern, die durch ihr Leben vorbildlich waren und transparent für das Wesen Gottes. Ich denke etwa an den heiligen Nikolaus, den wir bald, am 6. Dezember, verehren. Indem wir die Zeit ganz besonders für unsere Kinder gestalten, um ihren Anfang in dieser Welt in eine gute Bahn zu lenken und ihnen gute Erinnerungen für ihr Leben mit zu geben. Wir feiern Advent. Weil wir diesen verrückten Glauben immer noch nicht aufgegeben haben, seit 2000 Jahren nicht – auch nicht am Ende des Jahres 2009: den verrückten Glauben, dass Gott in diese Welt kommt und unsere Finsternis vertreibt.

Darum, lassen sie uns heute, lassen sie uns jetzt damit anfangen, ihm den Weg zu bereiten mitten unter uns, indem wir uns lieben. Amen

Verfasser: Dekan Joachim Meyer, Birkenhag 13, 64385 Reichelsheim

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