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Zions Gerechtigkeit und Heil

von Lisa Neuhaus (Frankfurt/Main)

Predigtdatum : 24.12.2023
Lesereihe : VI
Predigttag im Kirchenjahr : 4. Advent
Textstelle : Jesaja 62,1-5
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Wochenspruch: "Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Der Herr ist nahe." (Philipper 4,4.5b)

Psalm: 102,13-14.16-18.20-23 (EG 741)

Predigtreihen

Reihe I: Lukas 1,(26-38)39-56
Reihe II: 2. Korinther 1,18-22
Reihe III: 1. Mose 18,1-2.9-15
Reihe IV: Lukas 1,26-38(39-56)
Reihe V: Philipper 4,4-7
Reihe VI: Jesaja 62,1-5

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 16,1-3 Die Nacht ist vorgedrungen
Lied vor der Predigt: EG 30,1-4 Es ist ein Ros entsprungen
Predigtlied: EG 16,4-5 Die Nacht ist vorgedrungen
Schlusslied: EG 19,1-3 (Wochenlied) O komm, o komm, du Morgenstern

Es ist ein Ros entsprungen – EG 30

Text: Str. 1-2 Trier 1587/1588, Str. 3-4 bei Fridrich Layritz 1844
Musik: 16. Jahrhundert, Köln 1599

1. Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart, wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter wohl zu der halben Nacht.

2. Das Blümlein das ich meine, davon Jesaja sagt, hat uns gebracht alleine Marie, die reine Magd; aus Gottes ewgem Rat hat sie ein Kind geboren, welches uns selig macht.

3. Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß; mit seinem hellen Scheine vertreibt’s die Finsternis. Wahr‘ Mensch und wahrer Gott, hilft uns aus allem Leide, rettet von Sünd und Tod.

Vorüberlegungen

Der letzte Adventssonntag endet in diesem Jahr mit der Christnacht. Wer da am Morgen noch zum Gottesdienst kommt, ist vermutlich frei vom verbreiteten Vorbereitungsstress aufs Fest und kommt in adventlicher Erwartung von Trost für die Welt  und Freude fürs eigene Herz. Da passt es, wenn wir uns gemeinsam mit einem Lied auf den Heiligen Abend einstimmen.

In Coronazeiten haben wir besonders deutlich gemerkt, wie viel das Singen im Gottesdienst den meisten von uns bedeutet und wie viel es bewirkt. Im Singen verbinden sich unsere Stimmen im Raum der Kirche und werden zu einem Klangkörper. Sie werden wie ein Leib. Der Leib Christi mit den vielen Gliedern, der ist auch ein Leib mit vielen Stimmen. Besonders im Advent und an Weihnachten. Und gemeinsam gehen uns dabei Worte über die Lippen, die in unserem Alltag kaum vorkommen. Poetische Worte, die in den Weihnachtsliedern das Wunder der Geburt Jesu beschreiben. Wie im Lied 30: Es ist ein Ros entsprungen. In Verbindung mit der Verheißung aus Jesaja 11 kann es uns auf das Weihnachtswunder einstimmen.

Gott sei dank können wir wieder gemeinsam singen. Es wäre aber schön, wenn das Lied zusätzlich zum Gemeindegesang solistisch zu Gehör gebracht wird. Es ist so zart und leicht, das zeigt sich am besten, wenn es eine einzelne Stimme singt, evtl. eine geschulte Kinderstimme. Das ist mit  der/dem kirchenmusikalisch Verantwortlichen in der Gemeinde zu klären. Wenn es nicht geht, reicht es, wenn die Strophen im Lauf der Predigt gelesen werden. Sie sollten jeweils möglichst leicht vorgetragen werden, ohne Pathos, so leicht wie die Melodie. Es braucht keine gewichtigen Betonungen.

Liedpredigt zu „Es ist ein Ros entsprungen“

1 Dann wird ein Zweig aus dem Baumstumpf Isais austreiben, und ein Spross wächst aus seiner Wurzel heraus.
 2 Auf dieser Person wird der Geisthauch Gottes ruhen, der Geisthauch der Weisheit und Einsicht, der Geisthauch des Rates und der Stärke, der Geisthauch der Erkenntnis und der Ehrfurcht vor Gott.
 3 Sie wird Wohlgefallen an der Ehrfurcht vor Gott haben. Nicht nach dem Augenschein wird sie Recht aufrichten, nicht nach dem Hörensagen Ausgleich schaffen.
 4 Vielmehr wird sie in Gerechtigkeit die Schwachen richten, in Aufrichtigkeit für die Armen des Landes entscheiden, wird das Land mit dem Stock ihres Mundes schlagen und mit dem Hauch ihrer Lippen die töten, die Böses tun.
 5 Dann wird sie Gerechtigkeit als Gürtel um ihre Hüften und die Treue als Gürtel um die Taille tragen.
 6 Dann wird der Wolf beim Lamm als Flüchtling unterkommen, und der Leopard wird beim Böckchen lagern; Kalb, Junglöwe und Mastvieh leben zusammen, ein kleines Kind treibt sie.
7 Kuh und Bärin werden weiden, gemeinsam werden ihre Jungen lagern, und der Löwe wird wie das Rind Stroh fressen.
 8 Der Säugling wird vergnügt an der Höhle der Kreuzotter spielen, und nach dem Loch der Giftschlange wird das Kleinkind mit seiner Hand patschen.
 9 Sie werden nichts Böses tun und kein Verderben mehr anrichten auf dem ganzen Berg meiner Heiligkeit. Denn die Erde ist erfüllt mit Erkenntnis Gottes, wie die Wasser im Meer den Boden bedecken.
 10 An jenem Tag wird die Wurzel der Familie Isais als Zeichen für die Völker dastehen, nach ihr werden die fremden Völker suchen, und ihr Ruheplatz wird ein Ehrenort sein.

(Jesaja 11,1-10 in der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache)

Liebe Gemeinde.
Der letzte Adventssonntag wird heute Abend zur Christnacht. In diesem Gottesdienst können wir uns darauf einstimmen, ehe es an die letzten Vorbereitungen für den Heiligen Abend geht. Zur Einstimmung hilft uns das Lied, das wir gerade gesungen haben: Es ist ein Ros entsprungen. Es nimmt auf, was in den Worten des Jesaja als große Hoffnung auf den Messias Israels zum Ausdruck gebracht wird und besingt das Wunder der Christnacht.

Hören wir noch einmal auf das Lied.

Wenn möglich, wird das Lied jetzt von einer Solostimme gesungen: EG 30, 1 und 2 (nicht zu laut)

Zart und leise kommt dieses Lied zu uns. Aus der Höhe geht es in die Tiefe und wieder hinauf.
Einfach und klar und darin ganz innig besingt es ein Wunder:

„Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart.
 Wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art.
 Und hat ein Blümlein bracht.
 Mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht.“

Ein Wunder wird uns da vor Augen geführt. Wir sollen es genau ansehen und bestaunen:
Mitten im Winter, mitten in Nacht und Dunkelheit, mitten in finsteren Zeiten blüht eine Blume auf.
Aus einem alten Wurzelstock, der schon fast abgestorben ist und nicht so, als ob da noch einmal etwas zum Blühen kommen würde.

„Von Jesse kam die Art.“
 Es gibt alte Bilder von der Wurzel Jesse. Da ist ein alter Mann zu sehen, der auf der Erde liegt, wie ein Wurzelstock. Aus ihm ranken sich viele Äste und Zweige nach oben und tragen Blüten. Aus der Wurzel Jesse erwachsen viele Nachkommen. Durch einen einzelnen Menschen kommt Neues in die Welt und wächst und blüht und trägt Früchte.
Das - o Wunder - geschieht auch durch jeden und jede von uns.

„Von Jesse kam die Art.“ Isai heißt der Alte in der hebräischen Bibel, Jesse ist die lateinische Form.

Sein jüngster Sohn wird durch den Propheten Samuel zum König für Israel bestimmt: David, der Hirtenjunge, der meistens auf dem Feld bei seinen Schafen lebt. Der alte Samuel, der mit Gottes Hilfe ins Herz von Menschen sieht, weiß: In David wird Gottes Geist besonders viel Raum finden. Darum ist er der Richtige, der Auserwählte.

Und so ist es: Später wird David für Gott singen und tanzen. Er wird vom Hirten zum König werden und dabei manchmal ein guter und oft auch ein schlechter Hirte seines Volkes sein. Je nachdem, wie viel Raum er Gottes Geist in seinem Leben gibt. Diesem Geist der Weisheit, der Stärke, der Erkenntnis und der Ehrfurcht vor Gott.

Das alles steckt hinter der kurzen Liedzeile: „Von Jesse kam die Art.“

Denn im Evangelium von Matthäus wird später erzählt, dass auch Josef ein Nachkomme von Isai war. Der Mann der Maria gehört also zum Wurzelwerk der Davidsfamilie. Und auf die richtet sich immer wieder große Hoffnungen auf bessere Hirten für das Volk. So wie wir heute auch auf gute Hirtinnen und Hirten in der Politik hoffen.

„Von Jesse kam die Art. - Und hat ein Blümlein bracht.“
 Das Blümlein Jesus kommt auf der väterlichen Linie aus guter, aus königlicher Familie. Jesus ist ein Hoffnungsträger. Und er ist - wie wir alle - von Anfang an verbunden in einem Beziehungsgeflecht von vielen Menschen, mit Erblasten und guten Genen, mit dürren und kräftigen Ästen, auffälligen Blüten und eher zarten Blümlein. So besingt ihn unser Lied. Und dann kommt eine überraschende Wende.

„Das Röslein, das ich meine, davon Jesaja sagt,
 hat uns gebracht alleine Marie, die reine Magd.
 Aus Gottes ew‘gem Rat hat sie ein Kind geboren,
 welches uns selig macht.“

Erst führt uns das Lied das Wurzelwerk Isais, das Beziehungsgeflecht im Stammbaum von Josef vor Augen. Es lenkt unsere Aufmerksamkeit auf das Blümlein, das väterlicherseits aus einem Reis an diesem Stamm erwächst.
Und was kommt dann? Dass das Röslein ganz allein durch Maria zum Blühen gebracht worden sei, die reine Magd von unbekannter Herkunft. „Aus Gottes ew‘gem Rat.“

Eigentlich sind das zwei Herkunftsgeschichten, die sich ausschließen.

Die sich jedenfalls dann ausschließen würden, hätten wir es hier mit einem Geschichtsbuch zu tun und mit klassischer Ahnenforschung. Also ENTWEDER Josef ist der Vater und durch ihn ist Jesus ein Sohn Davids geworden, wie er später oft genannt wird. Ein Hoffnungsträger für einen Neuanfang mit einem guten Hirten.

ODER eine junge Frau bekommt ein Kind, allein: „aus Gottes ew‘gem Rat“. In dieser zweiten Strophe ist kein Platz für Jesse, David und Josef. Und Maria wird rein genannt. Dazu braucht es keine Fantasien über Jungfrauen und ihre Unschuld. Rein ist Maria, weil sie ganz allein mit Gott verbunden ist und sich ganz Gottes ew‘gem Rat überlassen hat.

“Von Jesse kam die Art”, “davon Jesaja sagt”. Das ist das eine.

Und „Marie alleine“ und auch noch die reine, aus Gottes ew‘gem Rat: Das ist das andere.

Entweder – oder. So entspricht es unserer Logik. Aber das Lied eines unbekannten Dichters, vor über 400 Jahren zuerst gesungen, lässt uns ganz frech das eine nach dem anderen hören und singen und macht aus zwei Abstammungen und zwei Geschichten durch die Musik eine Einheit.

Aus dem Wurzelwerk von Jesse erwächst in diesem Lied ein ganz eigener Stammbaum. Ein leichtes, zartes Lied von einer Wunderblume.

Davidssohn und Marienkind. Aus Gottes Rat und Entscheidung und durch Marias Einwilligung.
Von Jesaja lang im Voraus angesagt und doch für alle eine Überraschung.
Ein Mischlingskind im wahren Sinn des Wortes.
Einer, der sein Leben lang eng mit Gottes ewigem Rat verbunden bleiben wird.
Einer, der keinem anderen Geist als Gottes Geist in sich Raum geben wird und dadurch wachsen und blühen kann.
Dieses Wunderkind wird für manche Menschen Gott in der Welt verkörpern und andere werden vor allem sein wahrhaft menschliches Gesicht sehen.

Die Wunderblume Jesus.
Die empfangsbereite Mutter Maria. Ein unbeschriebenes Blatt.
Josef, der beschützende Vater aus der Sippe Davids.
Jesus Christus.
Gottes Wunschkind. Voll von gutem Geist. Voller Weisheit und Erkenntnis.

Eine Mischung, die andere Menschen selig macht. Weihnachtsselig.

EG 30,3 von Solostimme gesungen.

„Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß.
 Mit seinem hellen Scheine vertreibt’s die Finsternis.
 Wahr‘ Mensch und wahrer Gott.
 Hilft uns aus allem Leide, rettet von Sünd‘ und Tod.“

Klein und zart ist die Christ-Rose, die hier besungen wird.
Der süße Blütenduft erreicht die Nase sicher nur kurz in der Kälte der Nacht.

Wie der ganz eigene Duft auf der Haut von neugeborenen Menschenkindern.
Das Entwaffnende, das Hilfsbedürftige, das Liebenswerte, das Babys ausstrahlen,
der „helle Schein“, der von ihnen ausgeht:
Der macht unsere Augen und Herzen hell
und vertreibt wenigstens für Augenblicke die Finsternis.
So, wie unsere trübe Sicht auf alles und jedes zu Weihnachten durch den Schein der Kerzen aufgehellt wird.

Eine Mischung, ein Rätsel, ein Wunder.
Wahrlich menschlich, wahrhaft göttlich.
Wenn wir die Geschichten von Jesus immer wieder neu hören und seine Worte in unseren Herzen bewegen, so wie Maria, seine Mutter,
dann wird dem Herzen aus allem Leid geholfen.

Auch im neuen Jahr.
Und am Ende holt er uns aus dem Schoß der Erde und aus aller Finsternis heraus in seinen hellen Schein.

Verfasserin: Pfarrerin i. R. Lisa Neuhaus, Frankfurt am Main


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