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Zur Ruhe finden

von Elke Burkholz (Messel)

Predigtdatum : 23.11.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Totensonntag
Textstelle : Hebräer 4,9-11
ggf. Homepage, auf der die Predigt verzeichnet ist : http://kirchemessel.de
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Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus,
liebe Gemeinde,
heute am Totensonntag gedenken wir der Verstorbenen des letzten Kirchenjahres. Ich werde im Anschluss an die Predigt ihre Namen verlesen. Wir erinnern uns an die Menschen, die wir vor kurzem verloren haben und wir erinnern uns auch an diejenigen, ohne die wir schon lange auskommen müssen.

Bei der Erinnerung soll uns der Predigttext aus Hebräer 4,9-11 helfen:
9 Folglich steht die versprochene Ruhe, der große Sabbat, dem Volk Gottes erst noch bevor. 10 Denn wer in die Ruhe Gottes gelangt ist, ruht auch selbst aus von seiner Arbeit, so wie Gott ausruht von der seinen. 11 Wir wollen also alles daransetzen, zu dieser Ruhe zu gelangen!

Wenn es in Messel auf dem Friedhof bei einer Beerdigung einen Nachruf gibt, dann schließt der oft: er ruhe in Frieden oder sie ruhe in Frieden.
Wenn wir uns daran gewöhnt haben, dass jemand tot ist und nicht mehr bei uns ist dann wünschen wir uns, dass sie oder er in Frieden ruhen möge.
Und genau das verheißt uns unser Predigttext heute: Wenn unsere Verstorbenen in die Ruhe Gottes gelangt sind, dann können sie ausruhen von ihrer Arbeit. Vielleicht denken Sie noch einmal daran wie die letzten Wochen und Monate waren, und dass es gut ist, dass die Mühe und die Arbeit dieses Lebens für unsere Verstorbenen vorbei sind. Leid und Schmerzen sind vergangen. Wer in die Ruhe Gottes gelangt ist, ruht auch selbst aus von seiner Arbeit sowie Gott ausruht von der seinen.
Wir gönnen den Verstorbenen ihre Ruhe und wissen sie geborgen ist Gottes Hand. Über ihr Wohlergehen müssen wir uns keine Sorgen mehr machen. Wir dürfen hoffen, dass es ihnen gut geht dort wo sie sich jetzt befinden.
Aber vielleicht sollten wir uns über uns selbst ein paar Gedanken machen. Der letzte Satz unseres Predigttextes heißt: Wir wollen also alles daransetzen, zu dieser Ruhe zu gelangen. Die Verstorbenen ruhen in Frieden. Aber wie sieht das in unseren Herzen aus. Können wir auch zur Ruhe kommen, wenn wir an diejenige Person, die gestorben ist, denken. Wie sieht es mit unserer Ruhe aus.
Ich glaube das ist für alle hier anwesenden anders.
Einige denken sicher: Ja, ich bin im Frieden mit diesem Tod. Ich bin froh, dass sie keine Schmerzen mehr leiden muss, ja es ist gut, dass er jetzt tot ist, am Ende hat er sich doch nur noch gequält. Und ich habe neuen Mut bekommen. Ich kann ohne sie oder ihn leben. Aber ich erinnere mich gerne an sie oder ihn. Was bleibt ist Frieden und die Freude darüber, dass wir Zeit im Leben miteinander teilen durften.
Aber nicht alle Verluste sind gleich schwer oder gleich leicht. Und manche Beziehungen kann man schwerer loslassen als andere.
Besonders schwer ist es jemanden loszulassen, der noch sehr jung war. Und besondern schwer ist es auch jemanden loszulassen, mit dem man nicht im Reinen war, als man Abschied nehmen musste oder wo man das Gefühl hat, der Kreis hat sich nicht geschlossen. Ich hätte ihm oder ihr gerne noch etwas gesagt und hätte von ihr oder ihm gerne noch etwas anderes gehört.
Da ist es für uns, die wir zurückbleiben schwer, zur Ruhe zu kommen.
Und manchmal kann einen nach dem Tod auch noch einmal die Wut packen: Warum ist mein Mann, meine Tochter, meine Frau, mein Sohn gestorben und die der anderen leben einfach weiter als wäre gar nichts geschehen? Wie kann Gott dass zulassen, dass diese Person schon gestorben ist, die ich in meinem Leben doch so dringend brauche?
Wie können wir über solchen Fragen zur Ruhe finden?
Wie können wir mit dem Verlust fertig werden?
Wie können wir unseren Frieden machen mit dem was geschehen ist?
Ich finde die Aufforderung unseres Predigttextes: „Wir wollen also alles daransetzen, zu dieser Ruhe zu gelangen!“ leicht gesagt aber schwer getan.
Und sicher braucht es vor allen Dingen Zeit. Aber vielleicht können wir auch schon erste Schritte sehen, wie es gelingen kann, dass wir zur Ruhe kommen.
Der erste Schritt könnte sein: Geben Sie ihren Klagen Raum. Fressen Sie nicht alles in sich herein. Auch wenn es die anderen nicht mehr hören können, reden Sie trotzdem von ihrem Leid und ihrer Müdigkeit und ihrer Wut darüber, dass ihnen dieser liebe Mensch genommen wurde. Lassen Sie sich nicht sagen, das ist doch jetzt schon fast ein Jahr her, dass es passiert ist und Sie müssten langsam darüber weg sein. Die Trauer braucht solange sie braucht, und sie haben ein Recht darauf so lange zu trauern, wie Sie für die Trauer brauchen. Also erzählen sie immer wieder von dem oder der Verstorbenen erzählen Sie, wie es ihnen geht. Scheuen Sie sich dabei nicht den anderen auch mal auf die Nerven zu gehen. Ich erinnere mich an eine ältere Frau, die mir immer wieder die gleiche Geschichte erzählt hat, wie es war als sie die Todesnachricht bekommen hat, dass ihr Mann im Krieg geblieben ist. An dem Tag hat es geschneit und sie war im Stall gewesen und hatte gerade gemolken. Da kam der Briefträger. Nach dem Besuch bei ihr war ich immer ganz zufrieden, denn ich hatte das Gefühl, es hat ihr gut getan das noch einmal zu erzählen. Und mich hat es auch nicht gestört, dass ich die Geschichte schon kannte. Und ich habe diese Frau immer als eine freundliche und in sich ruhende Person erlebt. Also, erzählen hilft. Die Gefühle müssen raus, um sich ändern zu können.

Der zweite Schritt könnte sein: Wenn es in der Beziehung zu dem oder der Verstorbenen noch etwas Ungelöstes gibt, dann gestehen Sie sich es selbst zu, dass es so ist. Wir sind alle nicht perfekt. Und gerade wenn man eng zusammengelebt hat, dann hat man sich auch über den anderen geärgert. Und wenn es nur der Ärger darüber ist, dass sich der Verstorbene vor seinen Verpflichtungen hier auf der Erde gedrückt hat und einen mit all dem schwer zu Bewältigenden alleine gelassen hat. Gestehen Sie sich das zu. Vielleicht können Sie noch einmal an das Grab gehen und dort all das Aussprechen, was sie ihm oder ihr gerne noch gesagt hätten. Wenn Sie auf den Friedhof gehen, werden Sie merken, dass sie nicht der oder die einzige sind, die dort mit den Verstorbenen reden. Das ist völlig normal und eine gute Möglichkeit noch einmal etwas zu lösen und zur Ruhe zu kommen. Ich habe auf dem Friedhof auch schon mal einen Zettel gefunden, den der Wind weggeweht hat. Jemand hatte ihn unter die Blumenvase an einem Urnengrab gelegt. Da stand etwas drauf, was jemand dem Verstorbenen noch sagen wollte. Man muss so einen Zettel ja nicht direkt zum Grab bringen. Man kann so etwas ja auch zu Hause ins Tagebuch schreiben oder auf einen Zettel, den man anschließend verbrennt.

Der dritte Schritt könnte sein: Sich zuzugestehen: Die Dinge sind wie sie sind. Ich lasse sie los. Ich lege alles was gewesen ist vertrauensvoll in Gottes Hände. Meine Wut, meine grübelnden Gedanken, was der Verstorbene mir schuldig geblieben ist und was ich ihm schuldig geblieben bin, all das gebe ich ab an Gott. Damit die verstorbene Person in Frieden ruht und auch ich zur Ruhe finden kann.
Ich habe dabei gute Erfahrungen mit folgendem Gebet gemacht:
Gott du kennst mich, und kennst xy. Du weißt was zwischen uns gewesen ist. Ich finde keine Ruhe darüber. In deine Hände lege ich jetzt all das, woran ich doch nichts mehr ändern kann und bitte dich, dass du etwas Gutes daraus entstehen lässt. In mir sind unterschiedliche Gefühle. Ich weiß nicht, ob ich mir Rache oder Versöhnung wünsche. Ich weiß nicht ob ich bereit bin xy zu vergeben und ob ich mir wünsche, dass xy mir vergibt. Mit all meinen Gedanken komme ich nicht weiter. Ich will aufhören darüber zu grübeln: Ich vertraue dir meine Gefühle und Gedanken an und bitte dich, dass du in mir etwas löst. Ich bitte dich um Klarheit und Frieden. Amen

Und vielleicht ist dann der vierte Schritt möglich: Die positiven Erinnerungen rauskramen. Sich an lustige Begebenheiten erinnern.
Mit einem Lächeln auf den Lippen zu sich selbst sagen: Ja, so war er der … ja so war sie die … Und was wir nicht alles Schönes miteinander erlebt haben. Danke Gott für dieses große Geschenk. Danke Gott, dass wir ein Stück Weg miteinander gehen durften.
Und vielleicht ist dann der Weg auf den Friedhof nicht mehr so schwer, sondern wird einfach selbstverständlich.
Als mein Ehemann mich das erste Mal mit zu sich nach Hause nach Unterseibertenrod gebracht hat, hat er mich erst mal auf den Friedhof geschleppt und hat mir erklärt, zu welchen seiner Verwandten welches Grab gehört und wer die waren. Ich fand das etwas merkwürdig. Aber für ihn war das ganz selbstverständlich. Wenn man bei ihm in der Familie Gäste hatte, dann machte man das immer so. Er hat darüber gar nicht nachgedacht. Und wenn ich heute daran zurückdenke muss ich zwar schmunzeln aber ich finde es auch gut. Denn daran zeigt sich, dass die Familie ganz selbstverständlich mit ihren Verstorbenen und mit ihrer Geschichte lebt. Ich glaube, wenn es soweit ist, dass unsere Verstorbenen selbstverständlich zu unserem Leben dazu gehören, ohne dass wir besonders darüber nachdenken müssen, dann haben wir den Weg der Trauer bewältigt, und haben Frieden gefunden.

Ich wünsche Ihnen heute, dass der Friede Gottes in Ihrem Herzen einzieht. Ich wünsche Ihnen viele gute Erinnerungen an ihre Verstorbenen. Und ich wünsche Ihnen, dass Sie alles was sie noch bewegt an Gott abgeben können und selbst zu einem tiefen Frieden ihn Ihrem Herzen finden.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft.